Die Gebeine von Zora
aufkochende Wut. »Darling, würdest du mir mal einen Moment zuhören?«
»Ja, bitte?« Sie wog den Krug noch immer in der Hand.
»Willst du wirklich, dass ich in Lazdais Kessel lande?«
»Dumme Frage; aber was hat das damit zu tun? Wenn sie mich schnappen, passiert dir doch nichts.«
»Du vergisst eins: Vielleicht sind sie nicht hinter dir her, aber sie wissen von dir. Sie könnten dich als Geisel benutzen. Und ich habe wahrlich keine Lust, einen Brief zu kriegen, in dem steht: Lieber Reith, wenn du dich uns nicht postwendend stellst, dann nehmen wir uns deine nette Terranerin ein bisschen vor. Damit du siehst, dass wir es ernst meinen, schicken wir als Anlage ihren Daumen mit.«
»Du brauchst dich ihren Forderungen ja nicht zu beugen!« fauchte sie bissig.
»Jetzt bist du es, die dummes Zeug redet. Du müsstest mich eigentlich gut genug kennen, um zu wissen, dass ich nicht kalt lächelnd zusehen würde, wenn sie dich auseinanderpflücken. Ich habe gesagt, ich werde dich nicht mehr herumkommandieren, und was ich gesagt habe, daran halte ich mich auch. Du brauchst mir nicht Angurs Wasserkrug über den Schädel zu hauen, um durch diese Tür gehen zu können. Aber denk darüber nach, was ich dir gesagt habe.«
Sie stellte den Krug zögernd wieder an seinen Platz. »Du hast gewonnen. Verdammter Mist auch! Oh, Fergus!« Ihre Stimme ging in ein Schluchzen über, und sie warf sich ihm an die Brust. »Warum mache ich bloß immer solche Sachen?«
Unter Küssen antwortete er: »Die menschliche Psyche ist und bleibt mir ein großes Rätsel – besonders deine, mein Schatz.«
IX.
Der Sternensaal
Der Treiber auf dem Hals des Bishtars blies einen Tusch auf einer schrill klingenden kleinen Trompete und spornte sein Tier mit einem Stachelstock an. Die Kupplungen zwischen den Waggons klirrten, und der Waggon, in dem Reith, Alicia und Marot saßen, setzte sich mit einem Ruck in Bewegung. Rumpelnd und holpernd schlängelte sich der Zug über die Weichen des Bahnhofsgeländes und fädelte sich mit quietschenden Achsen und kreischenden Radkränzen in das Fahrgleis der einspurigen Strecke. Die hölzernen Karosserien der Waggons knarrten und ächzten in allen Fugen, wie Schiffe bei hohem Seegang. Von vorn hörten die Passagiere das dumpfe Stampfen der sechs Säulenbeine des Bishtars.
Der Hintergrundlärm zwang die Terraner, die wieder ihre abgewetzten, flickenübersäten Khakianzüge trugen und sich ihren Waggon mit sechs Krishnanern verschiedener Altersstufen teilten, bei der Unterhaltung die Stimme zu heben. Das Herumgebrülle strengte sie jedoch so sehr an, dass sie nach kurzer Zeit erschöpft verstummten und es vorzogen, schweigend aus dem Fenster zu schauen.
Der Zug ratterte mit gemächlichen fünfzehn Kilometern pro Krishnastunde (die länger war als ihr terranisches Äquivalent) durch die Ackerbauregion des nördlichen Qirib. Nach einigen Stunden Fahrt wurde die Landschaft zusehends felsiger und karger, und die nur noch vereinzelt auftauchenden Höfe wurden ärmlicher.
»He, was ist denn los?« rief Reith, aufgeschreckt aus dem Nickerchen, das er gehalten hatte, als der Zug plötzlich mitten in einer hügeligen, von vereinzelt stehenden, spärlichen Bäumen und Sträuchern bewachsenen Landschaft auf freier Strecke anhielt. »Hier ist doch gar kein Ausweichgleis für den Gegenzug …«
Als Reith den Kopf aus dem Fenster steckte, hörte er, wie Alicia, die zur anderen Seite hinausschaute, verblüfft rief: »Wer sind diese Leute? Sieht aus wie ein Oberfall!«
Die Räuber tauchten so plötzlich auf der Bildfläche auf, als wären sie aus dem Boden gewachsen. Einen sah Reith hinter einem Felsen hervorspringen; die anderen hatten offenbar hinter Büschen und Sträuchern gelauert, bis der Zug angehalten hatte, und waren dann auf ein Zeichen hin aus ihren Verstecken gekommen. Und nun stürmte eine johlende Horde von beiden Seiten auf den Zug zu. Sie schienen allesamt wohl bewaffnet; unter ihren zerlumpten Kleidern sah Reith hier und da Kettenhemden aufblitzen.
»Aristide, hol schnell unsere Schwerter!« brüllte Reith.
Als der Paläontologe aufstand, um nach ihren Waffen zu langen, die im Gepäcknetz über der Sitzbank lagen, hörte Reith, wie einer der Räuber in den Waggon hinter ihnen eindrangen. Einer schrie mit chilihaghischem Akzent:
»Bleibt auf euren Plätzen! Verhaltet euch ruhig! Euch wird nichts geschehen! Wir suchen ein paar Fremde, die sich unter euch verborgen haben.«
»Das müssen Lazdais Schergen
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