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Die Gebeine von Zora

Die Gebeine von Zora

Titel: Die Gebeine von Zora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyon Sprague de Camp
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in Zweifel zu ziehen. Zwar hätte das ihn vielleicht in den Kessel gebracht, aber uns hätte es auch nicht den Hals gerettet.«
    Reith ließ den Kopf in die Hände sinken. »Erinnerst du dich noch, wie ich sagte, wenn wir erst im Zug säßen, wären wir in Sicherheit? Wie blöd man manchmal sein kann!«
    »Mach dir keine Vorwürfe, mein Freund! Wenn die Maus sechs Löcher hat, aus denen sie hinausschlüpfen kann, dann kann auch die schlaueste Katze nicht vorhersehen, aus welchem sie rauskommt. Hätten wir vielleicht gegen die Bákhtiten kämpfen sollen, als sie den Zug überfielen, statt uns brav zu ergeben?«
    »Daran hab ich auch schon gedacht. Aber ich glaube, die Übermacht war einfach zu groß. Ich bin zu sehr Realist, um ernsthaft zu glauben, ich könnte mir den Weg durch hundert bis an die Zähne bewaffnete Feinde freihauen und unverletzt davonkommen – und das auch noch zu Fuß.«
    Ihr Abendessen rührten sie kaum an. Es war dunkel geworden, und ein Tempelwächter zündete gerade die Lampen draußen auf dem Flur an, als ihre Zellentür aufgeschlossen wurde und zwei Gestalten hereinkamen. Die erste war eine großgewachsene Person in einem Kapuzenumhang; ‚die zweite war ein stämmiger Krishnaner mit einem Zweihandschwert.
    Reith riss sich aus seiner Lethargie. »Wem verdanken wir die Ehre dieses Besuchs?«
    Die vermummte Gestalt zog die Kapuze zurück und entpuppte sich als Dasht Kharob bad-Kavir. »Guten Abend, meine Herren.«
    »Guten Abend, Eure Hoheit. Was führt Euch zu uns?«
    »Wisset, dass ich mit dem Urteil des heutigen Nachmittages nicht einverstanden war und dagegen gestimmt habe. Mir erschien eure Version plausibler als die von Doktor Foltus, zumal sie überdies durch die Aussage des Shaihan-Hirten erhärtet wurde. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich euch beide lediglich des Landes verwiesen, so wie Foltus; aber ich wurde überstimmt. Ihre Heiligkeit ist sehr angetan von Foltus, der sie mit Schmeicheleien und unterwürfigem Getue umgarnt hat. Sie hätte ihn am liebsten ungestraft davonkommen lassen, aber ich bestand auf meinem Recht, ihn auszuweisen.
    Sie ist der Meinung, dass, wenn man die wortgetreue Wahrheit auch nur einer einzigen Silbe des Buches des Bákh in Zweifel zieht, das ganze Gebäude ins Wanken gerät. Deshalb fordert sie euren Tod, als abschreckendes Beispiel für andere tollkühne Terraner, die hierher kommen und subversive Ideen verbreiten könnten.«
    »Wenn Ihr der Dasht seid«, sagte Reith, »habt Ihr dann nicht die Macht, uns zu begnadigen oder wenigstens das Urteil abzumildern?«
    »Nicht in Angelegenheiten, die der kirchlichen Rechtssprechung unterliegen, und ob ein Fall in den Zuständigkeitsbereich der Kirche fällt oder nicht, bestimmt allein die Hohepriesterin. Ihr seid nicht mit den Besonderheiten unserer Politik vertraut.«
    »Warum hat sich der Oberrichter auf ihre Seite geschlagen?«
    »Er hat Angst, dass man ihn der Ketzerei bezichtigt, wenn er plötzlich ungewohnte Unabhängigkeit des Geistes an den Tag legt. Da ihr ohnehin nichts mehr werdet ausplaudern können, kann ich offen zu euch sein. Lazdai und ich sind in vielen Dingen entgegengesetzter Meinung; aber sie hat das Volk so fest in der Hand, dass ich nicht wage, offen gegen sie zu opponieren, aus Furcht dass der Mob, aufgestachelt von ihren Schranzen, mich auf dem Hauptplatz aufknüpft. Nur wenigen kann ich vertrauen; einer davon ist Jam.« Er deutete mit dem Kinn auf seinen Begleiter, der reglos dastand, die Hände auf sein riesiges Breitschwert gestützt. »Ich habe ihn erstens mitgenommen, um sicherzugehen, dass ihr euch zu keiner Verzweiflungstat hinreißen lasst, zum Beispiel, mich als Geisel zu nehmen; und zweitens, um die Gefälligkeit, die ich euch erweisen möchte, in die Tat umzusetzen, so ihr bereit seid, sie anzunehmen.«
    »Und die wäre?«
    »Dass Jam euch, an Stelle der offiziellen Strafe, den raschen Gnadenstoß gibt. Alles, was ihr zu tun braucht, ist, zuzustimmen, niederzuknien, den Kopf zu senken – und kchunk! ist alles vorbei. Lazdai wird zwar vor Wut außer sich sein, aber den Sturm kann ich heil überstehen.«
    »Könnt Ihr uns ein paar Minuten Bedenkzeit geben, Eure Hoheit?« fragte Reith.
    »Sicher.« Der Dasht und sein Henkersmann zogen sich zurück.
    »Ich meine, wir sollten das Angebot besser annehmen«, murmelte Marot. »Ich fürchte mich vor dem Tod auch nicht mehr als jeder andere; aber in einem Kessel gekocht zu werden – pouah!«
    »Ich bin dagegen«, sagte Reith.

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