Die Gebrüder Kip
Geschick Großbritanniens, eine Heimstätte freier Menschen, wo die Zivilisation tiefe Wurzeln da geschlagen hat, während früher hier die schlimmste Wildheit herrschte.
Übrigens ist die eingeborne Bevölkerung vollständig verschwunden. Im Jahre 1884 konnte man als ethnologische Merkwürdigkeit den letzten Tasmanier, richtiger die letzte Tasmanierin, eine alte Frau vom Lande, zeigen. Von jenen geistig beschränkten und wilden, auf der untersten Stufe der Menschheit stehenden Negern ist kein einziger Vertreter mehr vorhanden, und dasselbe Schicksal wartet ohne Zweifel ihrer Stammesgenossen in Australien unter der mächtigen Hand Großbritanniens.
Hobart-Town liegt neun Meilen (14∙6 km) von der Mündung des Flusses Derwent und im Hintergrunde der kleinen Bai Sullivan-Cove. Es ist regelmäßig, vielleicht gar zu regelmäßig angelegt, nach dem Vorbilde amerikanischer Städte, deren Straßen sich alle rechtwinkelig schneiden; seine Umgebungen sind aber höchst malerisch mit ihren tiefen Tälern und ihren dichten, von hohen Bergen überragten Wäldern. Daneben bezeugen die auffallende Zerrissenheit des Ufers um die Storm-Bai, die vielen Landspitzen der Insel Coqueville und die merkwürdigen Einschnitte in die Halbinsel Tasman die Gewalt der tellurischen Kräfte in der plutonischen Bildungszeit.
Der Hafen von Hobart-Town ist gegen die Seewinde sehr gut geschützt; überall hat er hinreichende Tiefe und bietet auf einer Reede sichere Ankerplätze. Er wird durch eine lange Mole verteidigt, die die Wogen ebenso unschädlich macht, wie ein Wellenbrecher, und der »James-Cook« fand hier seinen gewohnten Platz gegenüber dem Kontor des Hawkinsschen Hauses.
Hobart-Town zählt nur fünf-bis sechsundzwanzigtausend Einwohner. In der kleinen Welt von Reedern, Händlern und Schiffsagenten, die in der ausschließlich handeltreibenden Stadt die erste Rolle spielen, sind alle miteinander bekannt. Hat sich die Neigung zu wissenschaftlichen, künstlerischen und literarischen Studien in der lebhaften Stadt auch recht anerkennenswert entwickelt, so kommt dem Handel doch die größte Bedeutung zu.
Der Boden Tasmaniens ist von erstaunlicher Fruchtbarkeit, die Wälder hier mit den allerverschiedensten Baumarten sind sozusagen unerschöpflich. Seiner geographischen Lage nach der Spaniens auf der nördlichen Halbkugel entsprechend, liefert das Land Getreide, Kaffee, Tee, Zucker, Tabak, Faserstoffe, Wolle, Baumwolle, Wein und Bier. In allen Teilen der Insel steht die Viehzucht in Blüte, und an Obst jeder Art gibt es einen solchen Überfluß, daß man sagen könnte: Tasmanien würde hinreichen, die ganze übrige Welt mit Fruchtkonserven zu versorgen.
Hawkins nahm, wie der Leser weiß, unter den Großhändlern von Hobart-Town eine sehr geachtete Stellung ein. Sein Haus, dem auch Gibson als Teilhaber und als Kapitän für die Große Küstenfahrt angehört hatte, erfreute sich der Achtung und Teilnahme der weitesten Kreise. Das Unglück, das die Firma betroffen hatte, mußte also einen schmerzlichen Widerhall finden. Noch bevor der »James-Cook« seine Haltetaue ans Land gebracht hatte, wußte auch schon die ganze Stadt, daß sich an Bord ein Unglück zugetragen haben müsse.
Gleich beim ersten Auftauchen der Brigg im Eingange zum Sullivan-Cove hatte ein Kontorgehilfe Frau Hawkins davon benachrichtigt. In Begleitung ihrer Freundin, der Frau Gibson, war die Dame sofort nach dem Hafen geeilt. Beide wollten zur Stelle sein, wenn der »James-Cook« am Kai festmachte.
Einzelne, hier bereits anwesende Leute beklagten schon das Erscheinen der beiden Damen. Hier war keine Täuschung möglich: statt am Ende der Gaffel, wehte die britische Flagge in Schau, d. h. in der Mitte der Trisse.
Mehrere Seeleute, die auf dem Molo standen, sprachen eben über den ungewohnten Anblick.
»Da hat sich ein Unfall ereignet!
– Wahrscheinlich ist während der Fahrt ein Matrose umgekommen…
– Ohne Zweifel ist ein Mann im Meere begraben worden.
– Wenn nicht gar der Kapitän selbst!
– Hatte der ›James-Cook‹ auch Passagiere an Bord?
– Jawohl… nach dem, was man gehört hat, wird er in Wellington Herrn Hawkins und den jungen Gibson aufgenommen haben.
– Sollte man wegen eines Mannes von der Besatzung die Flagge in Schau führen?
– Gewiß. Warum denn nicht?«…
Frau Hawkins und Frau Gibson waren mit den seemännischen Gewohnheiten nicht so bekannt, daß ihnen gleich aufgefallen wäre, was die Leute am Hafen verwunderte. Jedermann hütete
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