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Die Geburt Europas im Mittelalter

Die Geburt Europas im Mittelalter

Titel: Die Geburt Europas im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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zum 17. Jahrhundert bleiben und auf zahllosen Scheiterhaufen verbrannt werden sollte.Eine führende Rolle bei der Einstimmung auf die Hexenjagd übernahm der so genannte «Hexenhammer»,
Malleus malificarum
, der beiden dominikanischen Inquisitoren aus dem Rheinland und dem Elsass, Jakob Sprenger und Heinrich Institoris, deren Werk 1486 in gedruckter Form erschien. Die beiden Autoren lassen die Hexenverfolgung im Licht der dramatischen Ausschweifungen ihrer Zeit erscheinen, einer von Zügellosigkeit, insbesondere von sexueller Unzucht bedrohten Welt in den Fängen eines entfesselten Teufels. Der
Hexenhammer
ist ein beispielhaftes Produkt und Werkzeug dessen, was Jean Delumeau ein «Christentum der Angst» genannt hat. Innerhalb des Rahmens der neuen Intoleranz erregte der von Schrecken geleitete Glaube an die unheimlichen Praktiken des Hexensabbats umso mehr Aufsehen, als er die Phantasie der bildlichen Darstellung beflügelte. Ein Europa der Hexenjagd und des Hexensabbats war geboren.
     
    Bauernaufstände.
– An der Welle der Gewalt, die das Ende des Mittelalters kennzeichnet, waren Revolten von Tagelöhnern, Bauern, städtischen Lohnarbeitern und Handwerkern wesentlich beteiligt. Robert Fossier spricht von einer «neuen Schärfe der Klassenkonflikte», und auch marxistische Interpretationen wie die des britischen Historikers Rodney Hilton werden als berechtigt anerkannt. Die ökonomische Entwicklung hatte zur Verarmung einer wachsenden Zahl von Bauern, aber auch zur Bereicherung anderer geführt. Dennoch waren die meisten Bauernaufstände, die nach dem volkstümlichen Namen «Jacques», mit dem in Frankreich die Bauern bezeichnet wurden, als
Jacqueries
bekannt geworden sind, keine Erhebungen der armen Landbevölkerung, sondern im Gegenteil Revolten der wohlhabenden, privilegierten Bauern, die ihre Privilegien bedroht sahen. Die Jacquerie brach auf den fruchtbaren feuchten Böden des Beauvaisis und des Valois, der Grafschaften London und Sussex aus, und die wichtigsten Herde waren große Marktflecken, wie es sie in Katalonien, in Flandern oder entlang den von regem Handelsverkehr belebten Abschnitten des Rheins und der Elbe gab. Der größte Bauernaufstand in Frankreich begann im Mai 1358 im Beauvaisis und breitete sich rasch im Soissionnais, dem Valois und der Brie aus. Er äußerte sich hauptsächlichin Plünderungen und Brandschatzungen grundherrlicher Burgen, fand aber kein Echo in den Städten. Er brachte weder namhafte Anführer noch eine klare Vorstellung der angestrebten Ziele hervor und wurde von den Grundherren grausam niedergeschlagen.
    Im Jahr 1378 führten die allgemeine Verelendung im Languedoc und die Umtriebe räuberischer Banden zu einer eigenen Form der Jacquerie, der so genannten
Jacquerie des Tuchins
– ein altes Wort für Räuber oder Plünderer, die sich in Wäldern versteckt halten –, die ebenfalls niedergeschlagen wurde. Es ist bemerkenswert, dass die bäuerlichen Aufstände in Italien sehr schwach blieben. Dort war die Herrschaft der Städte über das Land so erdrückend, dass sich kaum Widerstand regte. Insgesamt gab es im 14. und 15. Jahrhundert keine «Bauernfrage» in Europa. Die erste wirklich große, organisierte Bauernbewegung trat zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Gestalt des deutschen Bauernkrieges in Erscheinung.
     
    Städtische Revolten.
– Umso deutlicher zeigte sich die «städtische Frage». Der außergewöhnliche Aufschwung der Städte war abgeflaut, und die Städte gerieten nach 1260 in eine Krise. Arbeitslosigkeit, schwankende Löhne, die Masse der Armen und Randgruppen lösten fast unausgesetzt Aufruhr und Revolten aus. Die Gewalt der unteren städtischen Schichten richtete sich, wenn sie sich nicht gegen Juden entlud, mehr und mehr gegen die Repräsentanten der Königsmacht, deren gierige Steuer- und repressive Ordnungspolitik immer schlechter ertragen wurden. Die Konzentration der Gewerbe und die Vormachtstellung der Zunftmeister schürten die Empörung der Handwerker und der Armen. Es gab Versuche, den Widerstand zu organisieren. Der französische Jurist Beaumanoir schrieb 1285: «Es ist eine Verbündung gegen den gemeinen Nutzen, wenn gewisse Leute sich dafür einsetzen oder verabreden, nicht mehr zu so niedrigem Lohn zu arbeiten wie vorher.» Schon 1255 gründeten Handwerker in Figeac eine
collegatio
, was man mit «Gewerkschaft» übersetzen könnte. Bei diesen städtischen Revolten wurden Forderungen und Absichten formuliert. Ein Ziel war die Verkürzung

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