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Die Geburt Europas im Mittelalter

Die Geburt Europas im Mittelalter

Titel: Die Geburt Europas im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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christlichen Staaten Europas nie existiert. Die kurzlebigen Gründungen der Kreuzzüge sind mittelalterliche Phänomene.

V. Das «schöne» Europa der Städte und der Universitäten
(13. Jahrhundert)
Die Erfolge Europas im 13. Jahrhundert
    Das 13. Jahrhundert gilt als Höhepunkt in der Entwicklung des mittelalterlichen Abendlands. Ohne hier die problematische Vorstellung von Höhepunkt und Niedergang zu erörtern, kann man wohl sagen, dass dieses Jahrhundert eine Zeit der Konsolidierung war, in der die Christenheit auf dem Boden, den die vorausgegangen Jahrhunderte bereitet hatten, zu einer starken Persönlichkeit heranwuchs und neue Kraft entfaltete. Es war auch die Zeit, in der ein Modell die Oberhand gewann, das man unter dem Aspekt der langen Dauer europäisch nennen kann – europäisch in seinen Erfolgen, aber auch in seinen Problemen. Die Erfolge beziehen sich hauptsächlich auf vier Bereiche, von denen der erste der Aufschwung der Städte ist. Während sich, wie wir gesehen haben, im frühen Mittelalter ein ländliches Europa ausgebildet hat, setzt sich im 13. Jahrhundert der Aufbau eines städtischen Europa durch. Das kommende Europa verkörpert sich hauptsächlich in den Städten. Sie sind hinfort der wichtigste Schmelztiegel der Bevölkerung, der Ort, an dem neue Institutionen, neue ökonomische und intellektuelle Zentren Gestalt annehmen. Der zweite Erfolg besteht im aufblühenden Handel und dem Aufstieg der Kaufleute, mit allen Schwierigkeiten, die die Verbreitung des Geldes im Wirtschafts- und Gesellschaftsleben mit sich bringt. Der dritte Erfolg betrifft das Wissen, das dank der Gründung städtischer Schulen, die in etwa unseren Grund- und Oberschulen entsprachen, immer mehr Christen erreicht. Die Entwicklung dieses Schulwesens, das im Bildungsgrad unserer Vorbereitung auf die Hochschule entspricht, war je nach Regionen und Städten verschieden, aber oft erfasste es 60 Prozent der Stadtkinder oder mehr, und manchmal, wie etwa in Reims, sogar die Mädchen.In unserem Zusammenhang fällt jedoch vor allem die Entstehung und schnelle Blüte jener Bildungsstätten ins Gewicht, die wir als Hochschulen bezeichnen würden: der Universitäten. Sie ziehen Scharen von Studenten an und besetzen ihre Lehrstühle oft mit namhaften, ja berühmten Lehrern. Hier entsteht als Ergebnis der Forschungstätigkeit des 12. Jahrhunderts ein neues Wissen, die Scholastik. Der vierte Erfolg schließlich, der die drei anderen stärkt und unterstützt, ist einem neuen, in den Städten ansässigen Mönchtum zu verdanken, das seine Aktivitäten vor allem im urbanen Milieu entfaltet und unerhörten Zuspruch findet. Die treibende Kraft dieses Erfolgs sind die Bettelorden, die sich in rund dreißig Jahren ausbreiten, das Gesicht der neuen Gesellschaft prägen und das Christentum, zu dem sie sich bekennt, zutiefst umgestalten.
1. Der Erfolg der Städte: Das Europa der Stadtbürger
    Wir haben bereits gesehen, dass die mittelalterliche Stadt, auch wenn sie den Standort einer antiken Stadt bewahrt, ein ganz anderes Erscheinungsbild gewinnt und erst recht andere Funktionen hat. Die militärische Funktion ist zweitrangig geworden, da die Knotenpunkte des mittelalterlichen Krieges vor allem die grundherrlichen Burgen sind. Umgekehrt hatte die ökonomische Funktion in der Antike geringere Bedeutung, weil die Städte damals – abgesehen von Rom und einigen Städten im Orient – weniger bevölkert waren und als Konsumzentren keine so bedeutende Rolle spielten wie im Mittelalter. Seit die Märkte und Messen in die Städte eingezogen sind, treten diese auch als Tauschzentren hervor. Trotz einer zumeist polyzentrischen Anlage der mittelalterlichen Stadt stellte der Markt gewöhnlich den sichtbarsten und wichtigsten Mittelpunkt dar. Und schließlich – auch dies ist neu – sind an die Stelle der antiken Werkstätten auf großen Landgütern die Läden von Handwerkern getreten, die der mittelalterlichen Stadt einen wichtigen Platz in der Produktion zuweisen. Straßennamen wie Gerbergasse oder Tuchmachergasse erinnern an diese mittelalterlichen Tätigkeiten. Dennoch bewahrte, ja bekräftigte die mittelalterlicheStadt eine urbane Mentalität, die viel zu ihrer Originalität und ihrer Macht beitrug.
    Der Gegensatz zwischen Stadt und Land, ungefähr gleichbedeutend mit zivilisiert und barbarisch, war schon in der römischen Welt sehr ausgeprägt. Er verschärfte sich im Mittelalter, als die bäuerlichen Massen, die Menschen vom Lande, in der

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