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Die Geburt Europas im Mittelalter

Die Geburt Europas im Mittelalter

Titel: Die Geburt Europas im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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christlichen Kampfeskraft gegen die Muslime einen vielfältigen Gewinn. Sicher war der Kreuzzug die Erfüllung einer immer lebhafter anschwellenden Sehnsucht, die aus dem Kult um Jerusalem und aus der Verehrung Christi resultierte. Aber er war auch ein Mittel, die kriegerischen Frustrationen der «Jungen» nach außen, gegen die Heiden, zu lenken, und für das Papsttum selbst die beste Gelegenheit, sich an die Spitze der gesamten Christenheit zu setzen, da die Führung eines solchen Krieges, in dem das Religiöse aufs Engste mit dem Politischen verquickt war, nur dem höchsten religiösen Oberhaupt obliegen konnte, das zu sein der Papst in Anspruch nahm. Schließlich ist es kein Zufall, dass der Papst Urban II., der denersten Kreuzzug predigte, Mönch in Cluny gewesen war. Das Kreuzzugsunternehmen lag ganz auf der Linie der Vorstellungen, nach denen die große kluniazensische Gemeinschaft die Christenheit gestalten wollte.
    Das Papsttum förderte also das Aufkommen einer Form des heiligen Krieges, dessen Symbol das Stoffkreuz auf der Brust der Kreuzfahrer war. So hat das christliche Europa den Islam eingeholt, der von Anfang an, seit es den Koran gab, den heiligen Krieg, den
djihad
, als eine der ersten Pflichten der Gläubigen bezeichnet hatte.
    Ich will hier nicht die Geschichte der Kreuzzüge schreiben. Ich rufe nur in Erinnerung, dass der erste 1099 zur Erstürmung Jerusalems führte und mit einem furchtbaren Massaker der Christen an den Muslimen einherging. In der Folge wurden christliche Staaten in Palästina errichtet, wobei das lateinische Königreich Jerusalem an oberster Stelle stand.
    Nachdem Edessa 1144 in die Hand der Muslime gefallen war, predigte Bernhard von Clairvaux einen zweiten Kreuzzug, der unter Führung des deutschen Königs, Konrad III., und des Königs von Frankreich, Ludwig VII., stattfand und als Fehlschlag endete. Im Jahr 1187 vernichtete der kurdische Sultan Saladin, Befehlshaber einer großen muslimischen Armee, bei Hattin das christliche Heer des Königs von Jerusalem, ehe er die Stadt und – bis auf Tyrus – das ganze Königreich eroberte. Dies löste den dritten Kreuzzug aus, bei dem Kaiser Friedrich Barbarossa einen Teil des Kreuzheeres über den Landweg führte, aber bei einem Unfall in einem anatolischen Fluss ertrank, während der König von England, Richard Löwenherz, und der König von Frankreich, Philipp II. August, mit ihren Truppen den Seeweg nahmen. Auch dieses Unternehmen scheiterte, und Jerusalem ging den Christen verloren.
    Im 13. Jahrhundert kühlte der Kreuzfahrergeist beträchtlich ab. Kaiser Friedrich II. beendete den sechsten Kreuzzug von 1228 bis 1229 durch ein Abkommen mit den Muslimen, das die meisten Europäer als schändlich empfanden.[ 10 ] Ein unzeitgemäßer Kreuzzugseifer gepaart mit Bekehrungs-, aber auch Eroberungsabsichten beseelte die beiden unglücklichen Kreuzzüge Ludwigs IX, des Heiligen, von Frankreich, den ersten 1248–1253 nach Ägypten und Palästina, den zweiten 1270nach Nordafrika, wo der König vor Karthago starb. Wenig später fielen die letzten christlichen Festungen im Heiligen Land an die Muslime, Tripolis im Jahr 1289, Akkon und Tyrus 1291.
    Der Kreuzzugsgedanke hat manche christlichen Fürsten und manche einfachen Christen bis ins 15. Jahrhundert mehr oder weniger leidenschaftlich inspiriert. Mit der Bildung des Osmanischen Reichs nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahr 1453 änderten sich die Voraussetzungen für das Verhältnis der europäischen Christen zu Jerusalem. Aber Alphonse Dupront hat eindrucksvoll gezeigt, wie der Mythos von Jerusalem in sich wandelnden Formen überdauert hat und bis heute fortlebt, da der Kreuzzugsgedanke in einem ganz anderen Kontext, nämlich in der Auseinandersetzung zwischen Amerikanern und muslimischen Fundamentalisten, auf unheilvolle Weise wieder angeheizt wird.
    Die historische Bilanz der Kreuzzüge in der langen Dauer ist sehr unterschiedlich ausgefallen. Bis in die jüngere Vergangenheit haben die westlichen Historiker sie eher als eine Triebkraft der europäischen Einigung und ein Zeichen der Vitalität des mittelalterlichen Abendlands gesehen. Diese Vorstellung verschwindet jedoch langsam. Jean Flori hat gut herausgearbeitet, was er die «Kreuzzugsparadoxa» nennt.
    Erstes Paradoxon: «Sie werden von Christen im Namen einer Religion mit ursprünglich friedfertigen Ansprüchen gegen die muslimischen Anhänger einer Religion geführt, die den
djihad
, ganz im

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