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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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    Nun faß dich neu für einen neuen Kranz.
Die andern waren wie ein Wettspiel, heiter,
ein Mitblühn, ach, ein Längerblühn – , was weiter?
Doch dieser neue übertrifft dich ganz.

    Er stammt von Sträuchern südlicher Gelände.
Dies Weiße seiner Blüten täuscht: sie glühn.
Orangenpracht und Stolz der Taxuswände
sind ihm verwandt – , und tief im Immergrün

    ist Vorrat wie zur Schöpfung einer Nacht …
Mehr als wir je vermag er dich zu fassen,
der fremde Kranz – : so sei ihm überlassen,
ihm, der dich rein und sternig überwacht!

    BAUDELAIRE

    Der Dichter einzig hat die Welt geeinigt,
die weit in jedem auseinanderfällt.
Das Schöne hat er unerhört bescheinigt,
doch da er selbst noch feiert, was ihn peinigt,
hat er unendlich den Ruin gereinigt:

    und auch noch das Vernichtende wird Welt.

    Der Gram ist schweres Erdreich. Darin
wurzelt dunkel ein seliger Sinn,
daß er sich blühend entringe;
wie war in dir, mein stiller Schoß,
alles trotzdem namenlos:
draußen erst heißen die Dinge.

    Heißen nach Zweifel und heißen nach Zeit,
aber da legen wir Seligkeit
plötzlich zwischen die Namen.
Und dann tritt auch die reine Hirschkuh
und der starke Stern dazu
in den befriedigten Rahmen.

    Wo so viel stilles inneres Ereignen
ein Buch sich, drinnen ringend, angewann,
käm ich zu spät, es wörtlich anzueignen;
dem so es Fassenden gehört es an

    wie einem Kind die hoch geholte Blume.
Nun sei es ihm in Einem süß und herb
und treibe ihn zum ernstesten Erwerb
und mach ihn frei in jedem Eigentume.

    FÜR WERNER REINHART
ins Gäste-Buch auf Muzot

    Die Erde ist noch immer überschwemmt.
Als mir die Arche auf dem » Berg « zerfiel,
schien mir, als ob noch manches Krokodil
unter dem trüben Stand der Wasser schnarche;
(sie spielen noch das schlimme Sintflutspiel).
So fiel ich auf die Kniee, diesem fremd,
und bat den Herrn um eine andre Arche.

    Und er erhörte mich und trieb die Mäuse
aus einem Turm, der ihnen Nahrung war,
und zeigte mir das heilbare Gehäuse,
das eines Malers Hand vor manchem Jahr
für Sie gemalt. Dann rief er Sie desgleichen,
der nirgends einen Zufall kennt, der Gott,
und überhäufte uns mit hundert Zeichen
das endlich doch gebotene Muzot.

    Und ich zog ein. Allein? Nein, eine Schar
von Überstehern, wie in Noah’s Märchen.
Denn mit mir: jeglichen Gefühls ein Pärchen,
und aller denkbaren Gestalt – ein Paar.

    Oh sage, Dichter, was du tust?
– Ich rühme.
Aber das Tödliche und Ungetüme,
wie hältst du’s aus, wie nimmst du’s hin?
– Ich rühme.
Aber das Namenlose, Anonyme,
wie rufst du’s, Dichter, dennoch an?
– Ich rühme.
Woher dein Recht, in jeglichem Kostüme,
in jeder Maske wahr zu sein?
– Ich rühme.
Und daß das Stille und das Ungestüme
wie Stern und Sturm dich kennen?
: – weil ich rühme.

    DIE HAND

    Siehe die kleine Meise,
hereinverirrte ins Zimmer:
zwanzig Herzschläge lang
lag sie 〈in〉 einer Hand.
Menschenhand. Einer zu schützen entschlossenen.
Unbesitzend beschützenden.
Aber
jetzt auf dem Fensterbrett
frei
bleibt sie noch immer im Schrecken
sich selber
und dem Umgebenden fremd,
dem Weltall, erkennts nicht.
Ach so beirrend ist Hand
selbst noch im Retten.
In der beiständigsten Hand
ist noch Todes genug
und war Geld
Ach in den Tagen, da ich noch ein Tännlein,
ein zartes, war in einer Gartenecke,
was sprach mir niemand von dem Eckermännlein,
das später aufkommt, daß es sich entdecke
Struktur und Stärke meiner frühsten Sprossen –?
Wie hätte mich so mancher Vers verdrossen
von jenen leicht und zeitig hingestreuten:
hätt ich geahnt: er soll mich einst bedeuten!
Viel rücksichtsvoller hätt ich mich erschlossen,
mich gründlich jeden Morgen prüfend: grün ich
auch schön genug für meinen künftigen Hünich?

    Ich komme mir leicht verstorben vor,
da ich dieses nicht hindern konnte – ,
wie ein Mond, der sein Recht verlor
über das wiederbesonnte

    Land. Sie führten das neue Licht
weckender Exegesen.
Nun sagt ich am Liebsten: Ich war es nicht.
Aber wer ists gewesen?

    Lieber Herr Hünich: besser zirpt
von Anfang die kleinste Grille;
aber freilich: ihr verdirbt
niemand Natur und Stille.

    O Sorge oft um euch, die ihr nicht lest …
oh Wesende, im Grund der langen Tage, –
womit vergeht die Zeit, dieweil ihr west?
Ihr kennt sie nicht, zwar krankt ihr und genest,
fliegt auf in Lust und schleppt euch hin in Plage – ,
doch euch geschiehts in seltsamem Zugleich.
Das arm und reich, das Klare und das Trübe
ist nur am Rand, an den uns unser

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