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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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Gedräng an der Tür!
Alles zieht selig ein.
Wie zur Belohnung.
Wofür?

    Schmetterling, das meine und das ihre,
der Natur und meins, wie du’s verbrückst:
unser Glück, wenn du an dem Spaliere
leicht, wie in Entwürfen, weiterrückst.
Eben schien ich mir noch unberechtigt,
dieses Künftigen ein Teil zu sein;
denn du glaubst nicht, wie es uns verdächtigt,
unser Herz, das schwer ist und allein.

    Doch nun hast du meines Blickes Faden
eingezogen ins Aprilgeweb,
und ich tu dem frohen Teppich Schaden,
wenn ich noch im Webstuhl widerstreb.

    Neue Sonne, Gefühl des Ermattens
vermischt mit hingebendem Freuen;
aber noch mehr fast ergreift mich die Unschuld des neuen
Schattens.

    Schatten des frühesten Laubes, das du durchhellst,
Schatten der Blüten – : wie klar!
Wie du dich, wahres, nirgends verstellst,
offenes Jahr.

    Unser Dunkel sogar wird davon zarter,
genau so rein war vielleicht sein Ursprung.
Und einmal war das alte Schwarz aller Marter
so jung.

    Du, die ich zeitig schon begann zu feiern,
erriet ich dich und lobte ich dich gut?
Du Heilige, du bliebst in deinen Schleiern
und nur von deinen Schleiern sang mein Blut.

    Zwar ward mir immer wieder zum Vergleiche
ein lieblich mich Erfüllendes gesandt,
doch immer war, daß sie dich nicht erreiche,
das Letzte, was die Freundin mir gestand.

    O stolze Schwermut meiner Liebeszeiten!
Dies ist dein Name. Ob er dir entspricht?
Wie einen Spiegel hob ich oft vom Weiten
ihn dir entgegen, – doch ich rief ihn nicht.

    Heut sah ichs früh, das Graue an den Schläfen
und dicht am Mund den unbedingten Zug.
Du, die noch Kind war, wenn wir jetzt uns träfen,
wär dir mein Herz noch Herz genug?

    Da gingen wir auf diesem Wiesenpfade
an dem Spalier, das schon von Bienen summt,
und was mich sanft vertröstet, wäre Gnade,
und Sprache wär, was nun in mir verstummt.

    Erschiene dir mein Lächeln väterlicher,
nur, weil es dich so lang erwartet hat?
Wär es dir neu? Ach ja, so lächelt sicher
nicht einer deiner Freunde in der Stadt.

    – Nimm es wie Landschaft, würd ich sagen, kehre
dich nicht daran, daß es dich überwiegt –
… … … … … … … … … … … … … .
Du, die noch Kind war, daß ich dich entbehre,
ist das mein Sieg? Ists das, was mich besiegt?

    Dies überstanden haben, auch das Glück
ganz überstanden haben, still und gründlich, –
bald war die Prüfung stumm, bald war sie mündlich,
wer schaute nicht verwundert her zurück.

    Gekonnt hats keiner; denn das Leben währt
weils keiner konnte. Aber der Versuche
Unendlichkeit! Das neue Grün der Buche
ist nicht so neu wie was uns widerfährt.

    Weils keiner meistert, bleibt das Leben rein.
Ists nicht verlegne Kraft wenn ich am Morgen turne?
Und von der Kraft, die war, wie leise spricht der Stein.
Und auf dem leisen Stein wie fruchthaft schließt die Urne.

    O erster Ruf wagrecht ins Jahr hinein – ,
die Vogel-Stimmen stehn.
Du aber treibst schon in die Zeit dein Schrein,
o Kukuk, ins Vergehn –

    Da: wie du rufst und rufst und rufst und rufst,
wie einer setzt ins Spiel,
und gar nicht baust, mein Freund, und gar nicht stufst
zum Lied, das uns gefiel.

    Wir warten erst und hoffen … Seltsam quer
durchstreift uns dieser Schrei;
als wär in diesem Schon ein Nimmermehr,
ein frühestes Vorbei –

    Was für Vorgefühle in dir schliefen – ,
war es Ehrfurcht gegen Glück und Weh,
wenn du schon in deinen Kinderbriefen
selbst das Zeitwort ›Lieben‹ groß schriebst, Dorothee?

    Schon im Wort vorher erschrak die Endung,
so als würde es vor ihr zu hell.
Auch: es wär mir lieb – , die leichte Wendung,
schriebst du angestrengt mit deinem sanften großen L.

    Diese Silbe war in deinem Herzen
immer wie ein neuer Satz. Und eh
du ihn anfingst, wehten deine Kerzen
leis vom Flüchten deines leichten Atems – , Dorothee –
Schöne Aglaja, Freundin meiner Gefühle,
unser Frohsein erreichte den Lerchenschlag
oben im Morgen. Laß uns nicht fürchten die Kühle
abends nach unserm Sommertag.

    Kurve der Liebe, laß sie uns zeichnen. Ihr Steigen
soll uns unendlich rühmlich sein.
Aber auch später, wenn sie sich neigt – : wie eigen.
Wie deine feine Braue so rein.
    Palermo 1862

    Ich ging; ich wars, der das Verhängnis säte,
nun wächst es glücklich auf, verschwenderisch.
Im Halse des Erstickten ist die Gräte
so einig mit sich selber wie im Fisch.

    Ich habe nichts, die Waage auszugleichen,
Gewichte nehmen drüben überhand;
unschuldig steht im Himmel noch das Zeichen
und weiß noch nicht von meinem

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