Die Gedichte
Unbestand.
Denn wie das Licht von manchem Sterne lange
im Weltraum geht, bis es uns endlich trifft,
erscheint erst lang nach unserm Untergange
vor unserm Stern seine entstellte Schrift.
Oft in dem Glasdach der verdeckten Beete
erscheint ein andrer Raum als Spiegelung
wie jener, der uns hier entgegenwehte:
ein künftiger, der an Erinnerung
sich fortgiebt, ohne uns gewährt zu sein.
Wie eingeschränkt ist alles uns Verliehne!
Wer sagt den Inhalt einer Apfelsine?
Wer liest bei jenem Licht im Edelstein?
Musik, Musik, gesteh, ob du vermagst
ihn zu vollziehn den unerhörten Hymen?
Ach, du auch weißt am Ende nur zu rühmen,
gekrönte Luft, was du uns schön versagst.
Im Park, ich habe oft daran gedacht
Denksteine aufzurichten, stille, graue –
obwohl Vergessen nicht so traurig macht
wie dieser Übergang ans Ungenaue
So viel Vertrautes seh ich nicht mehr rein,
Betrug und Trübe hat sich eingeschlichen,
ganz Unvergleichliches ward doch verglichen
und aus dem Ringe fiel der Stein.
Ein Obelisk wär deiner Amélie
Ich will ihn morgen zeichnen. [Unterbau.]
Geißblatt [sprösse]
LA NASCITA DEL SOR RISO
Vinse il Dio quella chi sola al mondo
Ebbe la fonte nel suo angelico viso.
Cantimi, inclita Musa, il primo giocondo
Quello, nostro ancora, raro sorriso
– – – – – – – – – –
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Die » Nascita del sorriso « wäre dem Inhalt nach in raschester Kürze
etwa so wiederzugeben:
Der Former der ersten Menschen bildete sie fest und dicht, im Ge-
danken an die »Flutung«, in die (wie das Gedicht sagt) »das Leben
die Gebilde reißt«. Der Geist, bis dahin im unendlichen Wogen
nach seiner Art bewegt, findet sich eingeschlossen in die Mitte die-
ser irdenen Gefäße; ungeduldig erst, schließlich zürnend, durch-
glüht er sie und schlägt am Ende, zu rasender Freiheit gereizt, aus
den neuen, ihn noch nicht recht fassenden Menschen hinaus. Dies
ist das Sint-Feuer, ein Zeitalter des Geist-Brandes. Wer beendet,
wer bändigt seine Ausbrüche? Ein Gott, ein hoher kühler Gott er-
scheint, wählt eine Jünglingin, – und sofort entsteht unter ihnen ein
kühleres Eiland. Die Insel der Liebesgespräche. Während rings um
sie die verschlingenden Geistflammen in sich aufbrennen, hält der
Gott das Mädchen in staunender Befangenheit. Aber nun ergreift
ihn, den in herrlichen Maßen sich Fassenden, die Bewunderung
und er preist, in ihr Anschauen versunken, des jungen Geschöpfes
Anmut, Leichtheit, Heiterkeit und das Diaphane ihrer Gestalt in
göttlichen Worten. Der in den Körper des horchenden Weibes ein-
gelassene Geist gefällt sich zum ersten Male in seiner, wie er ver-
nimmt, glücklichen Wohnung – : denn das Lächeln ist nichts, als das
Consentement des Geistes, in uns zu sein.
Und so war seine Entstehung.
Glaub nicht, es war seit immer. Jene Hände
des Formers, die die ersten Menschen ballten,
versuchten sich in dichtestem Gestalten,
daß die Figur der Flutung widerstände,
in die das Leben die Gebilde reißt.
Zwar in der Mitte dieser irdnen Kerne
verbarg der Formende die Gegen-Ferne – ,
den formig überfallenen: den Geist.
Der drängte nun und hatt es eng genug
und mußte lodern, daß er jäh durchglühe,
was ihn umzwang. Gewahre seine Mühe
im Lendenflammenschwung, im Stirnenbug.
Die Kraft war Kraft. Allein zu jedem Gliede
schloß er hinzu und trieb sein Flammenspiel
zumal im Hirn so heiß, daß der aride
verbrannte Mund darunter fast zerfiel.
Liebende kamen abendlich zusammen
und starrten sich bei Nacht wie Schmieden an
und brachen aus und schrieen: wir sind Flammen!
und war kein Linderes bei Weib und Mann.
Ein Vorwind blies in diese Angefachten,
Sint-Feuer war. Der blinde Menschen-Brand.
Das waren die Jahrtausende der Schlachten,
da Flammen-Abgrund war und nirgends Land.
Wer brach die Wut des ausgesprungnen Geists,
der noch entsetzt war im zu engen Leibe?
Ein Gott, ein hoher kühler Gott, so heißts,
erschien und winkte einem jüngsten Weibe,
und unter ihnen ward ein Eiland kühl.
Laß dir, daß Kindheit war, diese namenlose
Treue der Himmlischen, nicht widerrufen vom Schicksal,
selbst den Gefangenen noch, der finster im Kerker verdirbt,
hat sie heimlich versorgt bis ans Ende. Denn zeitlos
hält sie das Herz. Selbst den Kranken,
wenn er starrt und versteht, und schon giebt ihm das Zimmer
nicht mehr
Antwort, weil es ein heilbares ist – , heilbar
liegen seine Dinge um ihn, die fiebernden, mit-krank,
aber noch heilbar, um den Verlorenen – :
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