Die Gedichte
noch freier,
wie die losgerissenen Drachen
jagen wir halbhoch, mit Rändern von Lachen,
windig zerfetzten. – Ordne die Schreier,
singender Gott! daß sie rauschend erwachen,
tragend als Strömung das Haupt und die Leier.
XXVII
Giebt es wirklich die Zeit, die zerstörende?
Wann, auf dem ruhenden Berg, zerbricht sie die Burg?
Dieses Herz, das unendlich den Göttern gehörende,
wann vergewaltigts der Demiurg?
Sind wir wirklich so ängstlich Zerbrechliche,
wie das Schicksal uns wahr machen will?
Ist die Kindheit, die tiefe, versprechliche,
in den Wurzeln – später – still?
Ach, das Gespenst des Vergänglichen,
durch den arglos Empfänglichen
geht es, als wär es ein Rauch.
Als die, die wir sind, als die Treibenden,
gelten wir doch bei bleibenden
Kräften als göttlicher Brauch.
XXVIII
O komm und geh. Du, fast noch Kind, ergänze
für einen Augenblick die Tanzfigur
zum reinen Sternbild einer jener Tänze,
darin wir die dumpf ordnende Natur
vergänglich übertreffen. Denn sie regte
sich völlig hörend nur, da Orpheus sang.
Du warst noch die von damals her Bewegte
und leicht befremdet, wenn ein Baum sich lang
besann, mit dir nach dem Gehör zu gehn.
Du wußtest noch die Stelle, wo die Leier
sich tönend hob – ; die unerhörte Mitte.
Für sie versuchtest du die schönen Schritte
und hofftest, einmal zu der heilen Feier
des Freundes Gang und Antlitz hinzudrehn.
XXIX
Stiller Freund der vielen Fernen, fühle,
wie dein Atem noch den Raum vermehrt.
Im Gebälk der finstern Glockenstühle
laß dich läuten. Das, was an dir zehrt,
wird ein Starkes über dieser Nahrung.
Geh in der Verwandlung aus und ein.
Was ist deine leidendste Erfahrung?
Ist dir Trinken bitter, werde Wein.
Sei in dieser Nacht aus Übermaß
Zauberkraft am Kreuzweg deiner Sinne,
ihrer seltsamen Begegnung Sinn.
Und wenn dich das Irdische vergaß,
zu der stillen Erde sag: Ich rinne.
Zu dem raschen Wasser sprich: Ich bin.
DIE GEDICHTE
1922 BIS 1926
Über die Quelle geneigt,
ach, wie schweigt Narziß;
und in den Wäldern schweigt
schweifende Artemis.
O welches wehe Los:
reden trotzdem;
flüstert man liebend bloß,
hörts Polyphem.
Aber ein Mund, ein Mund –,
einer, der singt und spricht …
dürft ich nur hören und
wäre es nicht …
O wer die Leier sich brach,
sag mir aus welchem Geäst
bog er sie, schlug sie und sprach
was ihn verläßt?
Gab ihr die Hörnergestalt,
wie der Gazelle geraubt;
trat dann allein aus dem Wald –
wo ist das Haupt?
Wie ist sie weiblich, wie
schwingt sie den Hüftenschwung.
Wie ist er hart gegen sie.
Wie ist sie jung.
Töpfer, nun tröste, treib
treib deiner Scheibe Lauf!
Mir gehts in Hauchen auf,
du formst den Leib.
Wär ich wie Du! Ich spür
wie ich da säß … .
Was ist sie? … Zeichnung für
… . . ein … Gefäß?
Diese? die Leier? – So
dreh mir den Trug;
wenn auch aus Schleier, oh!
wird’s doch ein Krug.
… Wann wird, wann wird, wann wird es genügen
das Klagen und Sagen? Waren nicht Meister im Fügen
menschlicher Worte gekommen? Warum die neuen Versuche?
Sind nicht, sind nicht, sind nicht vom Buche
die Menschen geschlagen wie von fortwährender Glocke?
Wenn dir, zwischen zwei Büchern, schweigender Himmel
erscheint: frohlocke … ,
oder ein Ausschnitt einfacher Erde im Abend.
Mehr als die Stürme, mehr als die Meere haben
die Menschen geschrieen … Welche Übergewichte von Stille
müssen im Weltraum wohnen, da uns die Grille
hörbar blieb, uns schreienden Menschen. Da uns die Sterne
schweigende scheinen, im angeschrieenen Äther!
Redeten uns die fernsten, die alten und ältesten Väter!
Und wir: Hörende endlich! Die ersten hörenden Menschen.
SONETT
O das Neue, Freunde, ist nicht dies,
daß Maschinen uns die Hand verdrängen.
Laßt euch nicht beirrn von Übergängen,
bald wird schweigen, wer das ›Neue‹ pries.
Denn das Ganze ist unendlich neuer,
als ein Kabel und ein hohes Haus.
Seht, die Sterne sind ein altes Feuer,
und die neuern Feuer löschen aus.
Glaubt nicht, daß die längsten Transmissionen
schon des Künftigen Räder drehn.
Denn Aeonen reden mit Aeonen.
Mehr, als wir erfuhren, ist geschehn.
Und die Zukunft faßt das Allerfernste
rein in eins mit unserm innern Ernste.
So wie angehaltner Atem steht
steht die Nymphe in dem vollen Baume
Hoher Gott der fernen Vorgesänge
überall erfahr ich dich zutiefst
in der freien Ordnung mancher Hänge
stehn die Sträucher noch wie du sie riefst
VASEN-BILD
(Toten-Mahl)
Sieh, wie unsre Schalen sich
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