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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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entgegenstreut.

    Nur fort von allen vielen,
welche das Leben spielen:
Das war mein blindes Zielen,
war ohne Sinn und Saum.
Jetzt weiß ich: Dir entgegen
trieb ich auf tausend Wegen
am Tage und im Traum.

    Und du bist das Erlösen,
nach welchem ich in bösen,
bangen Fiebern schrie;
im Dicherkennen sanken
meine reisigen reifsten Gedanken
wie Kinder in die Knie.

    Der Sturm will herein,
ihm ist bang in den Bäumen.
Und ich bin allein
und traurig von Träumen,
die ich durchlitt.
Und ich sehne mich längst:
nicht sinnen und säumen, –
wie einen Hengst
ihn zähmen und zäumen
zu berauschendem Ritt.
Und des Sturmes Schritt
soll in leichtem befreiendem Wagen
weit an die Wipfel der Wälder schlagen,
über Wasser und Wall, über Nachten und Tagen
über Hüttenhocken und Kirchenragen,
über Tiefen und Türme tragen!

    Und du komm hoch! Meinem jubelnden Jagen
raub ich dich mit.

    Der Abend ist mein Buch. Ihm prangen
die Deckel purpurn in Damast.
Ich löse seine goldnen Spangen
mit kühlen Händen, ohne Hast.
Und lese seine erste Seite,
beglückt durch den vertrauten Ton, –
und lese leiser seine zweite,
und seine dritte träum ich schon …

    Du weißt: mein müder Wille
lag vor dir auf den Knien,
und flehte: »Sei die Stille … «
Und du erhörtest ihn.

    Du sahst: in heißem Hauchen
ward Kranz und Kraft ihm alt,
und er muß Kühle brauchen –:
da warst du wie der Wald.

    Und hattest tausend Tiefen,
und wurdest wild und weit,
und viele Stimmen riefen
aus deiner Seltsamkeit.

    Du warst so kinderweiß in deiner Seide,
ich aber wollte dich zur Königin;
und ging hinaus zum wilden Wuchs der Weide
und sagte ihr, daß ich der Herbststurm bin …:

    Da gab sie gerne ihre Gerten hin.

    Ich feierte ein Fest der Flagellanten,
und als die Narben in den Nächten brannten, –
ließ ich dir leise von den roten Ruten
den Purpur um die weißen Schultern bluten,
bis alle meine Königin erkannten.

    Komm ich heimwärts oft von weiten Wegen,
bin ich leise und mein Aug ist klar.
Dann ersehn ich blondes Kinderhaar,
leise meine Hände hinzulegen.

    Und ein Wort, an das nur Kinder glauben,
geht auf meinen Lippen sinnlos ein, –
und ich warte weinend, wann im Wein
sich erfüllen wird der Traum der Trauben.

    I m Traume malte ich ein Triptychon:

    Licht
in der Mitte stand dein Mutterthron.
Du wiesest lächelnd hin zum linken Rahmen,
und meine Tochter nanntest du beim Namen –
und dann zur rechten: »Siehe deinen Sohn.«
    Und beide Kinder waren zart und zag,
und ihre Augen sprachen sanften Segen.
Sie trugen Gold aus tausendeinem Tag
auf ihren Haaren deinem Licht entgegen.

    Sie gingen leise, die dein Lächeln lenkte.
Es wurde ihren Schritten Melodie;
du warst die Schenkende und Dochbeschenkte:
so reich warst du, so selig waren sie.

    Still hing der Himmel hinter deinem Throne
in blauer Tale fernes Irgendwo:
hinter den Heiligen des Giorgione
verleuchtete die terra ferma so.

    Ich stand in Staunen: E i n e Stille strahlte
um meine Dreiheit …
Die Erinnerung,
daß ich der Meister bin, der so dich malte,
bleibt nach dem Traum und macht den Mut mir jung.

    Und wenn ich rastend dir die Hände gebe,
und dann mein Schauen in die Himmel hebe:
wie pfeilgetroffen aus der ersten Schwebe
fällt dir mein Blick erstrebend in den Schooß.
Ich berge meine Stirne und ich bebe:
die Nächte sind noch immer sternelos.

    Und diese Nächte zeigen mir kein Ziel.
Sie leben von des Abends Glanzalmosen,
von den Laternenlampen, von den losen
Reflexen, von dem irren Irrlichtspiel, –
und warten, bis aus roten Morgenrosen
der blasse Tag in ihre Fenster fiel.

    Und ich muß denken, wie die Nächte nahen,
nach denen meine Träume lange schmachten:

    Sie fahren an wie diamantne Yachten
und tragen frohe Fahnen, hohe Frachten,
alle Matrosen sind in Märchentrachten
und fremde Vögel, welche Winde brachten,
die günstig wehten, rasten in den Rahen.
Und aufwärts von der Kühle ihres Kieles
bis an der Maste matte Flammenspitzen:
Das Silber in den Rissen, Rillen, Ritzen,
Kleinode, die an Bord und Bug erblitzen,
die Sehnsucht ihrer Segel – und noch vieles –
wird Alles unsre Seligkeit besitzen.

    … Oft sehn sich unsre Seelen tagelang nicht.
Und meine, dürstend, deine zu entdecken,
will ihre Arme aus dem Alltag strecken,
schaut hinter deines Lachens Rosenhecken
und lugt und lauscht und findet ihren Klang nicht

    Aber ich ahne an Abendrainen
werden wir unsere Seelen uns zeigen.
Und aus der meinen und aus der deinen
werden Gestalten der Stille steigen,
die sich

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