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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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drängen sich die Dinge um den Dichter
als bangten sie ihn wieder zu verlieren.
Sie zeigen ihre leidenden Gesichter
dem Einsamen, dem Sagenden, dem Richter;
denn er ist einer von den Ihren.

    AN KARL VON DER HEYDT
Meinem und meiner Arbeit liebem Freunde dankbar zugeschrieben,da ich seine Worte vom ›Stunden-Buch‹ gelesen hatte

    So will ich gehen, schauender und schlichter,
einfältig in der Vielfalt dieses Scheins;
aus allen Dingen heben Angesichter
sich zu mir auf und bitten mich um eins:

    um dieses unbeirrte Gehn und Sagen
und darum: nicht zu ruhn, ich fühlte denn
mein Herz in einem Turme gehn und schlagen:
so nah den Nächten, so vertraut den Tagen,
so einsam weit von jedem, den ich kenn;

    und doch so wie die Stunde, welche schlägt,
an Tausendem, das lautlos sich verwandelt,
teilnehmend – und mit Tausendem, das trägt,
mittragend – und mit Einem, welcher handelt,
mithandelnd, leise von ihm miterwägt …

    Unsäglich Schweres wird von mir verlangt.
Aber die Mächte, die mich so verpflichten,
sind auch bereit, mich langsam aufzurichten,
so oft mein Herz, behängt mit den Gewichten
der Demut, hoch in ihren Händen hangt.

    FÜR ERNST HARDT
    auf seine ›Ninon von Lenclos‹

    Der süßen Ninon süßes leichtes Leben
wie ist es Euch zu Greifbarem gereift.
Wie habt Ihr es genommen und gegeben:
so wie ein Abendwind im Niederschweben
nach einer übervollen Rose greift.

    Dann kommt die Nacht, in der sie noch nicht fällt,
behutsam wie von einem Händefalten,
von ihrem Glühen mitten im Erkalten,
von irgendetwas noch zusammgehalten,
obwohl sie keines ihrer Blätter hält.

    Wie habt Ihr jene wunderliche Nacht
heraufgerufen, glühend und verdüstert,
mit allem, was in ihren Büschen flüstert,
mit allem, was auf ihrem Grunde wacht:
in der Ninon, in ihres Herzens Kelche
schon lose liegend, sich noch einmal schloß
und dann in eine Schale überfloß,
in eine schöne ewige … .
in welche?

    I
    Sinnend von Legende zu Legende
such ich deinen Namen, helle Frau.
Wie die Nächte um die Sonnenwende,
in die Sterne wachsen ohne Ende,
nimmst du alles in dich auf, Legende,
und umgiebst mich wie ein tiefes Blau.

    Aber denen, die dich nicht erfahren,
kann ich, hülflos, nichts versprechen als:
dich aus allen Dingen auszusparen,
so wie man in deinen Mädchenjahren
zeichnete das Weiß des Wasserfalls.

    Dies nur will ich ihnen lassen und
mich verbergen unter dem Geringen.
Unrecht tut an dir Kontur und Mund.
Du bist Himmel, tiefer Hintergrund,
sanft umrahmt von deinen liebsten Dingen.

    II
    Liebende und Leidende verwehten
wie ein Blätterfall im welken Park.
Aber wie in seidenen Tapeten
hält sich immer noch dein Gehn und Beten,
und die Farben bleiben still und stark.

    Alles sieht man: deiner Augen Weide
(und ein Frühlingstag geht darauf vor),
deines Glücks geschontes Stirngeschmeide
und, allein, des Stolzes Vignentor
vor dem weiten Weg in deinem Leide.

    Doch auf jedem Bild und nirgends alt
in dem weißen, immer in dem gleichen
Kleide steht, erkennbar ohne Zeichen,
deiner Liebe stillende Gestalt,
schlank geneigt, um etwas hinzureichen.

    DER ANFÄNGER

    Du Freundlicher, der mich zu allem führte,
o geh mit mir bis an die schwere Schwelle.
Du Mächtiger, der mein Gesicht berührte
so daß es denkend dunkel wurde, stelle
mich an der Arbeit ängstlichen Beginn.
Bleib vor der Türe stehn in die ich trete,
damit du hören kannst sobald ich bete
und rufen kannst wenn ich nicht weiß wohin.
Ich brauche dich. Ich greife nach dem Horne
das du mir einstens gabst damit ich bliese
wenn ich in Not bin, wenn ein fremder Riese
mich halten will in seinem fremden Zorne
in einem Zorne, der nicht deinem gleicht.
Und nun versucht, zum ersten Mal vielleicht,
mein Horn den hellen Hilferuf, den Schrei.
Nun bet ich dich zum ersten Mal herbei,
nun will ich dich, nun hungert mich nach dir,
nun bin ich bange wie ein dürstend Tier
und wie ein Sterbender ganz ohne Zeit
voll Ungeduld und Leid und Einsamkeit.

    Und meine Hände heben sich heraus
und wehn auf meines Herzens dunklem Haus
wie Fahnen, wartend. Komm und sei der Wind,
der Wind im Willen der du oft gewesen, –
daß alle ihre Linien zu lesen
und ihre Bilder offen sind.

    EHE

    Sie ist traurig, lautlos und allein.
Sieh, sie leidet. Deine Nächte legten
sich auf ihre leisen leicht erregten
Nächte wie ein stürzendes Gestein.

    Hundertmal in deiner dumpfen Gier
warst du ihr Vergeuder und Vergifter;
aber daß du einmal wie ein Stifter
still und dunkel knietest neben ihr
macht dich männlich und

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