Die Gedichte
sage:
Seh ich traurig aus?
Das dauert nur eine Weile,
mach dir das Herz nicht schwer.
Die Nacht ist, daß man sie teile,
der Tag, daß man ihn vermehr.
VOM VERLORENEN SOHN
Skizze zu einem zweiten Stück des Kreises
Ich habe, König, oft vor Dir gespielt.
Doch nichts war besser als wenn wir uns beide
beim Jagen fanden: jung ohne Geschmeide –
Man sieht es noch an meinem schönen Kleide
wie groß und herrlich Deine Hand mich hielt.
Jetzt aber laß mich, König, und geruh,
wie Du mich einstmals nahmst, mich fortzugeben.
Du fragst an wen? – An alles. An mein Leben. –
Da steigt Dein Zorn. Erzürnter: hör mir zu:
Du hobst mich unter Deine Tischgefährten
(nur königliche Hände heben so);
ich durfte im Palast sein, in den Gärten,
in Deinem Schlafgemach, auch dorten wo
geheime Schreiber Deine Briefe siegeln,
selbst zu den Zimmern, tief von Duft und Spiegeln,
zu welchen hin Dein Mißmut manchmal floh,
durft ich Dir folgen. Du hast nie geglaubt
wenn mich der Eifersucht Auswendig-Lerner
an Dich verrieten, und ich durfte ferner
eintreten bei Dir mit bedecktem Haupt.
Du hast mich, Herr (ich kann es nicht verstehn)
erwählt zu Dir; wie Kenner wohl im Stillen
aus einem großen Haufen von Berillen
den einen greifen und gerade den
(vielleicht um eines schönen Fehlers willen – )
und nun: zu Undank redet Dir mein Mund;
mir selber unbegreiflich. Dich verlieren
was macht mich, so wie das, verwirrt und wund.
Und doch: ich muß – . Du willst den Grund?
O frage, Herr, die Meere nach dem ihren.
Du wirst erfahren, daß aus Tang und Tieren
aus Algen, Muscheln und Korallen und
Unzähligen die sich zur Liebe zieren
und schön sein wollen, funkelnd oder bunt:
Geschicke sich ins Unermeßne weben,
phantastischer als dieses Schicksal hier – .
Sieh, so sind Leben unter unserm Leben.
Wir wissens kaum, doch manchmal sehen wir
wie etwas aufsteigt, irgend etwas Totes – ;
(denn an die Oberfläche treibt nur dies.)
aber selbst tot ist es noch ein Durchlohtes,
Verschwenderisches, Königliches, Rotes –
oder bestickt mit lauter Silberkies.
Mir stieg eins auf. Und ich bin so vertieft
in dies Gesicht; ich würde nie mehr hören
wenn ihr hier zu mir redetet und rieft.
Ich muß allein sein. Mich darf keiner stören.
Vergieb mir, königlicher Herr, in Gnaden:
Ich muß allein sein; zwar ich bin noch jung,
doch dieses hier hat die Erinnerung
von tausend Leben auf mir abgeladen.
Wie vielleicht Gärtner, wenn sie im August
die Früchte pflücken aus den langen Läufen
der trächtigen Spaliere, unbewußt
mit ihren Äpfeln etwas überhäufen,
und wie der Käfer oder das Insekt
– das eben was sich unten stemmt und sträubt –
sich schließlich stille hält, erschreckt, betäubt – :
So muß ich jetzt in diesem Labyrinth,
in dem mich unten Duft und Schwere binden,
aushalten bis sich der Geruch verdünnt
der mich verhindert einen Gang zu finden.
DAS TAL
Bei Tag ist das ein großer Unterschied
wenn sich der Himmel baut und blaut und flieht
und voll Bewegung ist. Und das ist oben.
Und unten stehn, von seinen Übergängen
nur dann und wann zurück und vorgeschoben,
dieselben Häuser an denselben Hängen
zufrieden, ohne alle Phantasie.
Doch es ist Nacht geworden. Siehst du wie
nun alles hingeht zu demselben Ziele.
Ähnlicher werden da und dort die Fernen
und mit den Sternen kommen die Laternen:
erst eine, unten, und auf einmal viele.
Ich nehme sie wie Sterne ernst. Ich weiß
die meisten machen einen kleinen Kreis
und sind schon kurz nach Mitternacht verschwunden;
und keine leuchtet je der andern gleich.
Doch manchmal sah ich in sehr frühen Stunden
und immer auf die gleiche Art verbunden
in schon ein wenig irdischem Bereich
des Bahnhofs kleines Sternbild stehen, bleich,
wie bange vor den Hähnen und den Hunden.
DIE HEILIGEN
Die Engel stehn, die großen Engel stehn
und tragen, und du weißt nicht Träger wessen.
Aber die Heiligen, durch die wir gehn
sind immer unser noch und unermessen
uns zugewendet und an uns geschehn.
Die Heiligen: sie sammelten ihr Leben,
Er aber nahm es an, nur um es ganz
dem großen Irdischen zurückzugeben:
dem Wind, den Tieren und dem bunten Kranz
gebundner Dinge, Neben neben Neben.
Drum ist jetzt alles strahlend und Monstranz
und segnet schon wenn wirs ein wenig heben.
Kommendes ist nie ganz fern; Entflohnes
nie ganz fortgenommen wenn es floh – ;
doch das Wiederkommen eines Tones
ordnet erst das viele Leben so,
daß der Einsame, der sich nicht kennt,
eine Weile ruht in seinen Maßen
eh er
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