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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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diese hier, zu der doch manchmal hin
dein Antlitz lächelt wie aus Tiefen, leise
abweisend ihre Zärtlichkeit: Geh, kreise,
sei nicht in Angst um mich; du siehst: ich bin …

    Ist das nicht hier, wo Tausendes geschah,
wo fast Unsägliches noch nicht genügte,
damit aus allem sich dein Dasein fügte
drin Nahes fern erscheint und Fernes nah.

    War das nicht diese Welt, wo aus dem Tier
der Gott erwuchs zum klaren Namenlosen:
damit du ihn empfändest wie die Rosen
und trügest wie ein Teich. War das nicht hier?

    Wo dauerten, verloren im Gegröhl
des Pöbels, leise leidenvolle Leben,
um einst, gepreßt in deines Herzens Beben,
das Süße deiner Traurigkeit zu geben
wie tausend Rosen einen Tropfen Öl.

    Und wo war das, wo Schönheit Ungezählter
wie unbenutzt verging und wie verschmäht,
um einstens rührender und auserwählter
in dir zu sein – .
Du güldenes Gerät:
das einmal nur wenn alle Glocken läuten
(die Hand im Handschuh naht sich wie geführt)
ein König einen Augenblick berührt
um seine hohe Seele anzudeuten.

    DER ENGEL

    Wie ist der hülflos, der mit nichts als Worten
aussagen soll wie er dich fühlt und sieht;
dieweil dein Leben festlich sich vollzieht
wie aufgehoben, wie in Sopraporten
in welchen neben dir ein Engel kniet.

    Ein Engel – : ein im Himmlischen Zerstreuter,
der um dich ist seitdem du hier erschienst;
kaum jemals trauriger, kaum je erfreuter,
doch immer strahlender in deinem Dienst:

    so hingegeben wie an große Räume
an dich, du weite, unbekannte Welt,
und wie ein Kind in seine ersten Träume
so atemlos in dich hineingestellt.

    Beschäftigt, dir dein Leben hinzureichen,
die Stunde, die du grade ihm bestimmst,
und schwindelnd von der Größe ohne gleichen
mit der du sie aus seinen Händen nimmst:

    verbraucht er seine vielen Ewigkeiten
in deiner Zeit wie einen kurzen Tag.
Er wird nie wieder heimgekehrt zu seiten
der andern Engel im Areopag

    x des Himmels stehn; auch nicht im Weltgerichte.
Sein Platz wird leer sein auf der Engelsbank.
Doch man wird sagen von dem Angesichte
an dem ein Engel lebte und ertrank.

    DIE MÜNZE

    Daß eine Münze, Fürstin, dein Profil
in Gold geschnitten einem weiterreichte.
Du weißt: weit weiterreichte ohne Ziel
an einen Großen, der des Bildes Beichte
zu hören wüßte wie ein Orgelspiel.
Der, wenn von hoch her deine Herrlichkeit
wie von Gebirgen in ihn niederschösse,
anwüchse und sich wie im Zorn ergösse
über die Jugend einer andern Zeit:
    Jünglinge aus dem Heimatboden reißend
und (weiterrauschend in geschwelltem Schwung)
kein Haus und keinen Schutz mehr heilig heißend
und keine eingesäumte Siedelung;
    wie fremde Völkerstämme lauter Ferne
mitbringend in Gefühl und Überfall,
und alle Unterworfenen wie Sterne
auswerfend in das grenzenlose All –
    Daß einmal einer so ein Lied erschüfe
wenn Kommende des Zurufs und Gerichts
bedürftig sind:
    müßte die Hieroglyphe
deines an uns vergeudeten Gesichts

    in einer goldnen Münze weiterdauern
und einst gefunden werden, unversehrt,
wo mans nicht denkt, bei Hirten oder Bauern,
doch: aus dem Dunkel nieerklärter Mauern
dem Finder wie seit immer zugekehrt.

    LA DAME A LA LICORNE
(Teppiche im Hôtel de Cluny)

    für Stina Frisell

    Frau und Erlauchte: sicher kränken wir
oft Frauen-Schicksal das wir nicht begreifen.
Wir sind für euch die Immer-noch-nicht-Reifen
für euer Leben, das, wenn wir es streifen
ein Einhorn wird, ein scheues, weißes Tier,

    das flüchtet … und sein Bangen ist so groß,
daß ihr es selber/ wie es schlank entschwindet/
nach vielem Traurigsein erst wiederfindet,
noch immer schreckhaft, warm und atemlos.

    Dann bleibt ihr bei ihm, fern von uns, – und mild
gehn durch des Tagwerks Tasten eure Hände;
demütig dienen euch die Gegenstände,
ihr aber wollt nur diesen Wunsch gestillt:
daß einst das Einhorn sein beruhigtes Bild
in eurer Seele schwerem Spiegel fände. –

    TAGELIED

    Jetzt kommen wieder die Pläne,
die ins Weite gehn.
Draußen rufen die Hähne:
die Ferne will entstehn

    nach aller dieser Nähe,
die uns zusammenschloß.
Wach auf, damit ich sähe,
was ich so sehr genoß.

    Mir geht es noch im Blute,
noch duftet das ganze Haus.
Zu was für Worten ruhte
mein Mund auf deinem aus,

    auf deinem guten Munde,
auf deiner beruhigten Brust:
Stunde ging um Stunde,
wir haben es nicht gewußt.

    Nun kommen die Geräusche.
Schon rührte sich eine Tür.
Daß es dich nicht enttäusche,
wache mit mir, verspür,

    wie es schon weht vom Tage:
da muß ich nun hinaus –
Wache zu mir und

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