Die Gedichte
hübe es hinaus aus mir, in das,
was draußen ist, in grauen Morgenregen,
dem Tage hin, der sich auf langen Wegen
besinnt und wandelt ohne Unterlaß,
oder an Abenden, der Nacht entgegen
der nahenden, der klaren Karitas …
Und hielte es, soweit ich kann, hinein
in Wind und Stille; wenn ich nicht mehr kann,
nimmst du es dann?
Oh nimm es, pflanz es ein!
Nein, wirf es nur auf Felsen, auf Granit,
wohin es fällt; sobald es dir entfallen,
wird es schon treiben und wird Wurzelkrallen
einschlagen in das härteste von allen
Gebirgen, welches sich dem Jahr entzieht.
Und treibt es nicht, ist es nicht jung genug,
wird es allmählich von dem Höhenzug
die Art und Farbe lernen vom Gestein
und wird daliegen unter seinen Splittern,
mit ihm verwachsen und mit ihm verwittern
und mit ihm stehen in den Sturm hinein.
Und willst du’s niederlassen in den Grund
der dumpfen Meere, unter Muschelschalen,
wer weiß, ob nicht aus seinem Röhrenmund
ein Tier sich streckt, das dich mit seinen Strahlen
zu fassen sucht und einzuziehen und
mit dir zu schlafen.
… . . laß nur irgendwo
es eine Stelle finden und nicht so
im Raume sein, dem deine Sterne kaum
genügen können. Sieh, es fällt im Raum.
Du sollst es ja nicht, wie das Herz von Tieren,
in deiner Hand behalten, Nacht und Tag;
wenn es nur eine Weile drinnen lag!
Du konntest in den dürftigsten Verschlag
die Herzen deiner Heiligen verlieren,
sie blühten drin und brachten dir Ertrag.
… … … … … … … … … … … … . .
Du freier, unbegreiflicher Verschwender,
da jagst du, wie im Sprung, an mir vorbei.
Du heller Hirsch! Du alter Hundert-Ender!
Und immer wieder wirfst du ein Geweih
von deinem Haupte ab und flüchtest leichter
durch deine Jäger, (wie dich alles trägt!)
sie aber sehen nur, du Unerreichter,
daß hinter dir die Welt zusammenschlägt.
So viele Dinge liegen aufgerissen
von raschen Händen, die sich auf der Suche
nach dir verspäteten: sie wollten wissen.
Und manchmal ist in einem alten Buche
ein unbegreiflich Dunkles angestrichen.
Da warst du einst. Wo bist du hin entwichen?
Hielt einer dich, so hast du ihn zerbrochen,
sein Herz blieb offen, und du warst nicht drin;
hat je ein Redender zu dir gesprochen,
so war es atemlos: Wo gehst du hin?
Auch mir geschahs. Nur, daß ich dich nicht frage.
Ich diene nur und dränge dich um nichts.
Ich halte, wartend, meines Angesichts
williges Schauen in den Wind der Tage
und klage den Nächten nicht … . .
(da ich sie wissen seh)
ALICE FAEHNDRICH
FREIIN VON NORDECK ZUR RABENAU
Widmung
Wer könnte einsam leben und nicht dies
bewundern lernen: daß zu ihm zuweilen
die Engel treten, um mit ihm zu teilen
was sich den Anderen nicht geben ließ,
den Ausgestreuten und den Aufgelösten
die Trübe trinkend treiben im Geschrei;
er aber legt sich leise für den Größten
beiseite / nicht als ob er brauchbar sei:
greifbarer nur dem wählenden Verschmäher
unreifen Anrufs – . Aber dann und wann
kommt hülfreich eine Hand und schiebt ihn näher
an jene ungeheure Hand heran,
die durch die Erde ging und durch das Meer,
die noch zu hart ist unsern Kinder-Händen
und unserm schwachen Herzen noch zu schwer
als daß wir ihre Zärtlichkeit empfänden.
Wald meines Herzens, der sich bei dem Feuer
aus meinen Sinnen hob, verschob und schuf
Zuflucht der unverdrängten Abenteuer:
wie wenig bin ich in dir; Gott ist treuer
und macht es um dich immer ungeheuer
und wiederholt sich wie ein Vogelruf
dort draußen irgendwo wo deine Lichtung
Jetzt gehn die Lüfte manchesmal als trügen
sie unsichtbar ein Schweres welches schwankt.
Wir aber müssen uns mit dem begnügen
was sichtbar ist. So sehr es uns verlangt
hinauszugreifen über Tag und Dasein
in jenes Wehen voller Wiederkehr.
Wie kann ein Fernes so unendlich nah sein
und doch nicht näher kommen? Nicht bis her?
Das war schon einmal so. Nur damals war
es nicht ein zögerndes im Wind gelöstes
Vorfrühlingsglück. Vielleicht kann Allergrößtes
nicht näher bei uns sein, so wächst das Jahr.
So wächst die Seele, wenn die Jahreszeit
der Seele steigt. Das alles sind nicht wir.
Von Fernem hingerissen sind wir hier
und auferzogen und zerstört von weit.
EIN FRÜHLINGSWIND
Mit diesem Wind kommt Schicksal; laß, o laß
es kommen, all das Drängende und Blinde,
von dem wir glühen werden – : alles das.
(Sei still und rühr dich nicht, daß es uns finde.)
O unser Schicksal kommt mit diesem Winde.
Von irgendwo bringt dieser neue Wind,
schwankend vom Tragen namenloser
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