Die gefährliche Zeugin verschwindet
jedenfalls einen Telefonhörer ans
Ohr.
Aha!, dachte der
TKKG-Häuptling. Kalensky und die Nachbarin. Vermutlich ist das die Frau
Kassandra.
Wieselflink pirschte er zur
Hauswand — und stand dann seitlich des Fensters.
„Und?“, hörte er die Frau
fragen. Sie dehnte das u auf mindestens fünffache Länge.
„Wieder nichts“, knurrte
Kalensky. „In ihrem Fertighaus sind sie nicht. Und ihr Handy ist
ausgeschaltet.“
„Also sind sie nicht
erreichbar.“
„So könnte man das auslegen.“
Kalensky klang knurrig und müde.
„Was willst du machen?“
„Ich versuch’s später nochmal.“
„Und bis dahin?“
„Passe ich auf.“ Er lachte.
„Eigentlich wollte ich ja heute Abend ins Spielcasino. Aber in meinem Zustand
würde ich doch nur verlieren.“
„Nicht wegen deines Zustandes,
Vici, sondern weil deine Sterne nicht gut stehen. Die nächste Glückssträhne
hast du erst wieder Ende Juli.“
„Und was mache ich in der
Zwischenzeit?“ Er lachte abermals. „Soll ich im Bett bleiben?“
„Nichts unternehmen. Hör auf
mich! Die Sterne lügen nicht.“
Sie ist Astrologin, dachte Tim.
Aus dem Stand der Gestirne liest sie die Zukunft. Haha! Wenn’s so leicht ist,
dann sollte man sich ein Fernglas kaufen und nachts zum Himmel gucken.
„Ich gehe jetzt in meine
Höhle“, sagte Kalensky. „Irgendwo habe ich noch den alten Revolver. Der
funktioniert. Und Patronen habe ich auch. Vor 20 Jahren alles in Spanien
gekauft. Als junger Bursche fand ich das cool. Jetzt könnte es nützlich sein.
Wenn ich nur wüsste, wo ich den habe. Wahrscheinlich im Keller — in einer der
Kisten.“
„Hast du die noch immer nicht
ausgepackt?“
„Wozu? Ist ja nur Zeugs drin,
das ich ohnehin nicht anrühre. Wegwerfen will ich’s allerdings auch nicht. Man
kann ja nie wissen.“
„Wer die Sterne befragt, weiß
alles.“
„Okay, Otti. Wenn ich wieder
was vorhabe, werde ich vorher dein Kunde.“
„Das wäre vernünftig. Übrigens
Kunde! In zehn Minuten kommt der Stadtrat Herbert Bachhuber. Wie alle Welt
weiß, ist er glücklich verheiratet und Vater von fünf Kindern. Zwei studieren
bereits. Was nur ich weiß, ist: Bachhuber hat eine heimliche Geliebte. Er nennt
sie seine Seelenbraut. Von mir will er wissen, ob diese Beziehung eine
glückliche Zukunft hat. Er denkt nämlich an Scheidung, um dann die Seelenbraut
zu heiraten.“
„Eine seltsame Liebe. Alle
beide — ich meine die Frauen — sollten ihn zum Teufel jagen. Was wirst du dem
Kerl raten?“
„Sein Horoskop lässt beide
Möglichkeiten zu. Er kann mit beiden glücklich werden, beziehungsweise
bleiben.“
„Na, das nützt ihm was. Wahrscheinlich
macht er weiter wie bisher.“
„Das ist eine der
Möglichkeiten.“
„Also, Otti, ich geh rüber. Bis
nachher.“
Tim hörte, wie eine Tür
geöffnet wurde. Dann erschrak er gewaltig, denn Kalensky benutzte nicht den
vorderen Eingang, sondern kam über die Terrasse.
Tim presste sich an die Mauer
und stellte den Atem auf erstickungsschwach. Aber Kalensky wandte ihm, Tim, den
Rücken zu und ging — kaum fünf Meter entfernt — zur Hintertür seiner
Haushälfte. Das heißt, er schlurfte. Wenig später wurde hinter einem Parterrefenster
Licht gemacht. Und gleich darauf rasselte die Jalousie herab.
Tim eilte zu seinen Freunden
zurück.
„Wie legst du seine Worte
aus?“, fragte Gaby, nachdem er berichtet hatte.
„Ich bin mir sicher, Pfote,
dass die Pistoleros gemeint sind — mit denen, die er nicht erreichen kann. Dein
Messertyp — das ist der eine. Der Junkie-Typ — wie Chaline ihn beschrieben hat
— der andere. Sie wohnen also in einem Fertighaus und sie haben ein Handy.
Logo! Wer hat das heutzutage nicht. Es muss jemand schon ein enorm wichtiger
Typ sein — oder ein schauriger Wichtigtuer — , wenn er darauf verzichtet. Aber
die Pistoleros benehmen sich wie der zivilisierte Normalmensch und haben alles,
worüber auch der verfügt: Zahnbürste, Kreditkarte, Socken zum Wechseln und —
ein Handy.“
„Kalensky rechnet also mit
einem zweiten Mordanschlag“, überlegte Karl, „und will dem Vorbeugen durch ein
Gespräch und/oder Verhandeln. Weil das aber im Moment nicht möglich ist, rüstet
er auf — mit seinem Revolver. Und was machen wir?“
„Gabys Vater“, sagte Tim,
„können wir mein Lausch-Ergebnis nicht anbieten. Was sollte die Polizei damit
anfangen? Dass Kalensky nicht so ahnungslos ist, wie er vorgibt, war ja eh
klar. Er würde leugnen und außerdem wissen, dass wir ihn
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