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Die gefährliche Zeugin verschwindet

Die gefährliche Zeugin verschwindet

Titel: Die gefährliche Zeugin verschwindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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hell. Durch die
Sehschlitze fiel dann sicherlich etwas Licht herein.
    Ich muss versuchen zu schlafen,
dachte sie. Alles andere bringt nichts. Nachts ist hier niemand unterwegs. Und
am Tage? Diese Mistkerle haben den Gniprasch-Acker aus gutem Grund gewählt.
Verseuchtes Gebiet. Wird gemieden von jedermann — von Wanderern, Waldarbeitern,
Beerensammlern und wem-auch-immer. Aber vielleicht... vielleicht verirrt sich
doch jemand hierher. Könnte doch sein, ich höre morgen Stimmen und kann um
Hilfe rufen.
    Irma versuchte, sich Mut zu
machen. Aber sie wusste: Die Chance stand 1:10 000 gegen sie — bestenfalls.
    Irgendwann nach Mitternacht
fielen ihr vor Erschöpfung die Augen zu. Inzwischen machte sich ein Heer von
Waldameisen über die Vorräte her.

16. Gero
Guest, der Szene-Schleicher
     
    Im Sommer riecht die
Internatsbude Adlernest — die zweite Heimat von Tim und Klößchen — stark
nach trocknem Holz: wie ein alter Heustadel oder die Umkleidekabinen eines
betagten Schwimmbades am See.
    Den Geruch verbreiten die
wuchtigen Holzbalken, die im Adlernest die Decke stützen; die holz-verkleidete
Wand zur Nordseite und die beiden alten Schränke steuern auch dazu bei.
    Die Schränke sind fast 50 Jahre
alt. Generationen von Schülern haben hier ihre Klamotten gestapelt — mit mehr
oder weniger Ordnungsliebe. Ungezählte Initialen (Anfangsbuchstaben) sind auf den Innenseiten der Holzwände eingeschnitzt.
    Eines Tages, dachte Tim, werden
andere Schüler überlegen, wer W. S. und P. C. waren. Willi Sauerlich und Peter
Carsten. Vielleicht sind dann noch Pauker da, die uns kannten und erklären: Das
waren Klößchen und Tim.
    Er lag in seinem Bett am
Fenster. Vor drei Minuten war er aufgewacht — durch nichts als seine innere
Uhr. Wach werden vor drei! hatte er sich beim Wegdösen vorgenommen — und
es hatte geklappt.
    Er starrte in die Dunkelheit,
nahm den sommerlichen Holzduft wahr und dachte für einen Moment mit Wehmut
daran, dass er das Adlernest eines Tages verlassen würde. Nach dem Abitur — für
immer. Aber bis dahin war’s ja noch weit. Eine lange Strecke voller Abenteuer
lag vor ihm — vor ihm und seinen Freunden.
    Klößchen schnarchte.
    Leise tickte die Weckeruhr. Die
grünen Leuchtzeiger schimmerten. 2.58 Uhr. Tim drückte den Aus-Knopf, damit das
Klingeln unterblieb. Keine Unterbrechung von Klößchens Tiefschlafphase, damit
er nicht zum Schulversager, Bettnässer oder Ladendieb wurde.
    Tim stand auf, tastete auf dem
Tisch nach Klößchens Handy und schlich barfuß hinaus auf den Flur. Hier
dämmerte nur das Notlicht, wies den Weg zum Waschsaal. In den Buden ringsum
ratzten die Schüler, einige redeten im Schlaf, ansonsten war Stille —
nächtliche Stille in dem großen Internatsgebäude. Hier im so genannten
Haupthaus wohnen die Schüler der Unter- und der Mittelstufe. Natürlich nur
Jungs, denn es ist ein Jungen-Internat. Die Mädchen kommen nur zum Unterricht:
als Fahrschülerinnen — als Externe — aus der nahen Millionenstadt und
umliegenden Gemeinden.
    Das Schulgelände ist groß und
wird von einer brüchigen Mauer umfriedet wie eine Burg. Grünflächen und
Sportplatz, Pauker-Silo, Nebengebäude, das gelbe Haus, Turnhalle, zwei Höfe,
der Mini-Park Pauker-Grün und der graue Reaktor mit Krankenzimmern und
Schulschwester — wer neu ins Internat kommt, braucht eine Weile, bis er sich
zurecht findet.
    Tim ging zum Ende des Flurs, wo
nur zwei Toiletten und eine Gerätekammer sind sowie die Treppe zum Dachboden.
Hier konnte er, Tim, halblaut reden, ohne die Schläfer zu stören.
    Er öffnete das Flurfenster. Die
Nachtluft war lau und etwas schwadig. Drüben im Pauker-Silo — wo die
unverheirateten Lehrer und Erzieher ihre Appartements haben — brannte bei Dr.
Nina Wetterkante noch Licht. Sie kam frisch von der Uni und sah jünger aus als
manche Schülerin aus der 13. Klasse — wahrscheinlich weil die zurzeit in der
Abiturprüfung steckten und total gestresst waren. Wetterkante ging meistens
früh zu Bett, nur freitags gönnte sie sich einen langen Abend. Sicherlich sah
sie sich jetzt einen dieser grotten-dämlichen Spätfilme an oder schrieb einen Liebesbrief
an ihren Macker, einen Co-Piloten bei der Lufthansa. Der wurde auf
Transatlantikflügen eingesetzt und war nur selten verfügbar.
    Tim hatte sich die Rufnummer
von Gernot Hohlmann-Schrinkl eingeprägt, wählte, wartete und glaubte schon, der
Reporter sei noch unterwegs. Doch er meldete sich.
    „Gero Guest, ja?“ Er hatte eine
etwas

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