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Die Gefährtin Des Lichts erbin2

Die Gefährtin Des Lichts erbin2

Titel: Die Gefährtin Des Lichts erbin2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jemisin
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sich ganz plötzlich zu voller Kraft. Sonnenschein und ich waren zu Boden gefallen. Ich lag mit ausgebreiteten Armen halb gefühllos vor Schmerzen da, weil der Sturz meinen Kopf und meinen gebrochenen Arm durchgeschüttelt hatte. Wie durch einen Vorhang sah ich Lil, die ihre Beine in den Boden stemmte. Ihr Gewand flatterte um ihre knochige Gestalt, und ihr langes Haar verknotete sich im Wind. Das Loch war groß, fast so groß wie ihr Körper, aber dennoch hatte es sie bisher nicht vereinnahmt.
    Sie hob ihren Kopf. Ich war hinter ihr, doch ich wusste sofort, dass ihr Mund sich längte, auch ohne ihn zu sehen.
    »Gieriger sterblicher Junge.« Lils Stimme war schrill vor Entzücken und hallte von überall wider. »Glaubst du wirklich, dass das bei mir gelingt?«
    Sie breitete ihre Arme weit aus und loderte vor goldener Macht. Ich hörte das Summen und Surren ihrer Zähne so laut, dass es in meinen Knochen widerhallte und mein Rückgrat vibrieren ließ. Seine Lautstärke ließ sogar die Erde unter meinen Füßen erzittern. Das Surren wurde zu einem Kreischen, als sie auf das Portal zusprang — und versuchte, es zu essen. Funken reiner Magie schössen an uns vorbei, und jeder einzelne brannte dort, wo er landete, weiter. Eine mächtige Stoßwelle drückte mich noch weiter nieder und zerschmetterte die Schrotthaufen um uns herum. Ich hörte Holz splittern, Trümmer herabfallen, Lichter schreien und Lil... Sie lachte wie das irrsinnige Monster, das sie war.
    Plötzlich packte Sonnenschein meinen unverletzten Arm und riss mich hoch. Wir rannten. Er zog mich halb mit sich, weil meine Beine den Dienst versagten. Außerdem versuchte ich ständig, mich zu übergeben. Schließlich nahm er mich auf seine Arme und rannte. Hinter uns ging der Schrottplatz in Erdbeben, Chaos und Flammen unter.
     

 
     

    16
    »Von ganz unten nach ganz oben«
    (Aquarell)
     
    Eine Weile bekam ich nichts mit. Das Gerempel, das Rennen und die Kakofonie der Geräusche waren zu viel für meine ohnehin überstrapazierten Sinne. Ich bemerkte Schmerzen und Verwirrung am Rande meines Bewusstseins, aber mein Gleichgewichtssinn war vollkommen ausgeschaltet. Es fühlte sich so an, als ob ich mich in der Luft unkontrolliert überschlug und keine Berührungspunkte mehr hatte. Eine verzerrte Stimme schien mir etwas ins Ohr zu flüstern. Warum lebst du noch, wenn Madding tot ist? Warum lebst du überhaupt, wo du doch nur ein todbringendes Vehikel bist? Du bist eine Beleidigung für alles Heilige. Du solltest dich einfach hinlegen und sterben.
    Entweder sprach Sonnenschein diese Worte - oder mein eigenes Schuldgefühl.
    Es dauerte eine Ewigkeit, bevor ich wieder so weit zu mir kam, dass ich denken konnte.
    Ich setzte mich langsam und mit großer Anstrengung auf. Mein Arm - der unverletzte - wollte mir erst nicht gehorchen. Ich sagte ihm, er solle mich hochdrücken, doch er schlug nur ziellos umher und streifte die Oberfläche, die sich unter mir befand. Sie war hart, aber nicht aus Stein. Ich drückte meine Fingernägel ein wenig hinein. Es war billiges, dünnes Holz. Ich klopfte darauf und lauschte. Scheinbar war ich ganz davon umgeben. Schließlich war ich wieder Herr meiner Sinne und untersuchte langsam und zitternd meine Umgebung. Dann verstand ich. Eine Kiste. Ich befand mich in einer großen Holzkiste, die an einem Ende offen war. Etwas Schweres, Kratziges und Stinkendes lag auf mir. Eine Pferdedecke? Sonnenschein musste sie für mich gestohlen haben. Sie stank immer noch nach dem Schweiß ihres vorherigen Besitzers, war aber wärmer als die kalte Morgenluft, die mich umgab. Ich zog die Decke noch enger um mich.
    In der Nähe erklangen Schritte. Ich kauerte mich ganz klein zusammen, bis ich die Schwere der Schritte und ihren sonderbaren Rhythmus erkannte: Sonnenschein. Er kletterte zu mir in die Kiste und setzte sich neben mich. »Hier«, sagte er. Metall berührte meine Lippen. Verwirrt öffnete ich den Mund und wäre beinahe erstickt, als Wasser hineinfloss. Zum Glück gelang es mir, nicht zu viel davon auszuspucken, denn ich hatte furchtbaren Durst. Sonnenschein setzte den Behälter erneut an meine Lippen, und ich trank gierig, bis nichts mehr übrig war. Ich hatte zwar immer noch Durst, fühlte mich aber besser.
    »Wo sind wir?«, fragte ich. Ich sprach leise. Wo immer wir uns befanden, es war still. Ich hörte das leise Tropfen von Frühtau. Das Geräusch hatte ich in all den Tagen im Haus der Aufgegangenen Sonne vermisst. Es war mir sehr willkommen.

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