Die Gefährtin Des Lichts erbin2
dass ich mich so alt fühle.« Aber sie nahm meine Hand und drückte sie, bevor sie verschwand.
Ich hantierte eine Zeit lang im Schuppen herum, ging dann ins Haus und nahm ein Bad. Danach flocht ich mein Haar zu einem langen Zopf, zog einen dicken, warmen Bademantel an und rollte mich nachdenklich in meinem Lieblingssessel zusammen.
Es wurde Abend. Ich hörte, wie Sonnenschein unten ins Haus trat, seine Stiefel abwischte und die Vorräte, die er gekauft hatte, wegräumte. Schließlich kam er nach oben, blieb in der Tür stehen und schaute mich an. Dann ging er hinüber zum Bett, setzte sich hin und wartete darauf, dass ich ihm erzählte, was los gewesen war. Er sprach zwar inzwischen mehr als früher, aber nur, wenn er dazu in der Stimmung war — und das war er selten. Meistens war er nur ein schweigsamer Mann. Das mochte ich an ihm, besonders jetzt. Seine schweigende Gegenwart beruhigte meine Einsamkeit, wo Sprechen sie nur verschlimmert hätte.
Ich stand auf und ging hinüber zum Bett. Ich suchte sein Gesicht mit meinen Händen und zeichnete seine strengen Falten nach. Er rasierte sich jeden Morgen eine Glatze. Dadurch bemerkten die Leute nicht, dass sein Haar vollkommen weiß war. Denn das war zu auffällig, schließlich versuchten wir unterzutauchen. Auch ohne das weiße Haar war er gutaussehend. Doch es fehlte mir, mit den Fingern durch sein Haar zu fahren. Stattdessen strich ich mit den Fingern wehmütig über seine glatte Kopfhaut.
Sonnenschein schaute mich eine Weile nachdenklich an. Dann hob er seine Hände und entknotete den Gürtel meines Morgenmantels. Ich erstarrte und erschrak, als er zunächst eine Brust liebkoste, mir dann die andere Hand ins Kreuz schob und mich näher an sich zog.
Ich hielt dagegen, weil ich für jede andere Reaktion zu verblüfft war. Meine Haut kribbelte dort, wo er mich berührt hatte, sonst hätte ich gedacht, dass ich mir alles nur eingebildet hatte. Aber das und das tosende Erwachen bestimmter Teile von mir, die seit langer Zeit geschlafen hatten, sagten mir, dass es Wirklichkeit war.
Sonnenschein senkte seine Hände, als ich rückwärtsging. Er war weder aufgebracht noch besorgt. Er wartete einfach ab.
Ich lachte schwach und war plötzlich nervös. »Ich dachte, du wärst nicht an mir interessiert.«
Er sagte nichts; natürlich nicht, denn es war offensichtlich, dass sich diese Tatsache geändert hatte.
Ich zappelte herum, schob meine Ärmel hoch, die gleich wieder herunterfielen, klemmte mir eine Haarsträhne hinters Ohr und trat von einem Fuß auf den anderen. Ich schloss allerdings nicht den offenstehenden Bademantel.
»Nun, ich weiß nicht ...«, setzte ich an.
»Ich habe beschlossen, zu leben«, sagte er leise.
Auch das war gemessen an seiner Veränderung im letzten Jahr offensichtlich. Ich spürte seinen Blick, während er sprach. Dieser ruhte noch schwerer auf meiner Haut als sonst. Er war mein Freund gewesen und bot jetzt mehr an. War willens mehr zu probieren. Aber ich wusste: Er war kein Mann, der leichtfertig oder nebenbei liebte. Wenn ich ihn wollte, bekam ich ihn mit
Haut und Haaren - und er würde von mir dasselbe wollen. Alles oder nichts — das war ebenso grundlegend seine Natur wie das Licht selbst.
Etwas halbherzig versuchte ich zu scherzen. »Du hast ein Jahr gebraucht, um dich zu entscheiden?«
»Zehn, ja«, antwortete Sonnenschein. »Das letzte Jahr war dazu da, damit iu dich entscheidest.«
Ich blinzelte überrascht und erkannte, dass er recht hatte. Wie seltsam, dachte ich und lächelte.
Dann machte ich einen Schritt nach vorn, fand sein Gesicht und küsste ihn.
Es war schön, viel schöner als in dieser Nacht vor langer Zeit auf Maddings Dach. Wahrscheinlich, weil er diesmal nicht versuchte, mir wehzutun. Sein Mund war sinnlicher, als ich erwartet hatte, denn außer missbilligend die Mundwinkel herunterzuziehen, benutzte er ihn kaum. Er schmeckte nach Äpfeln. Wahrscheinlich hatte er sie auf dem Rückweg aus der Stadt gegessen. Außerdem schmeckte er nach rohen Rüben, was nicht so angenehm war. Aber es störte mich nicht. Ich spürte seinen Blick die ganze Zeit auf mir ruhen. Das ist so typisch für ihn, dachte ich, aber ich hatte meine auch nicht geschlossen. Dennoch fühlte es sich seltsam an. Schließlich zog er mich dorthin, wo er mich haben wollte, und streifte mir den Bademantel von den Schultern. Bis dahin hatte ich nicht gewusst, was mich so verwirrt hatte. Doch dann tat er etwas, das mich nach Luft schnappen ließ, und ich
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