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Die Gefährtin Des Lichts erbin2

Die Gefährtin Des Lichts erbin2

Titel: Die Gefährtin Des Lichts erbin2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jemisin
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schmiedeeiserne Gitter in wunderschönen Formen. Wären da nicht die drei Wurzeln gewesen, hätte es hier mehr Sonnenschein gegeben als in manchen Bereichen von Schatten, die näher am Baumstamm lagen. Man sagte mir, dass dies an windigen Spätherbsttagen für ein oder zwei Stunden am Tag immer noch der Fall war. Zu jeder anderen Zeit lag Südwurzel in ewigem Dunkel.
    Außer verzweifelten, zornigen armen Leuten wohnte hier niemand mehr. Wahrscheinlich war es deshalb ein Ort, an dem die
    Ordensbewahrer ohne Skrupel einen Mann auf offener Straße totschlugen.
    Ihr Gewissen musste sie allerdings mehr als sonst gequält haben, denn der Ort, zu dem Madding mich schließlich zerrte, fühlte sich nicht offen an. Ich roch Unrat und Schimmel. Außerdem lag mir die bittere Schärfe von abgestandenem Urin auf der Zunge. Handelte es sich um eine weitere Gasse? Eine, die nicht von einem Gottkind mit Magie sauber gehalten wurde?
    Es gab an dieser Stelle überdies Gerüche, die noch stärker und noch unangenehmer waren. Rauch. Holzkohle. Verbranntes Fleisch und Haare. Schwach vernahm ich ein leises Zischeln.
    In der Nähe dieses Geräuschs stand eine hochgewachsene, träge Frauengestalt. Außer Madding war sie die einzige Person, die ich sehen konnte. Ihr Rücken war mir zugewandt. Deshalb bemerkte ich zuerst ihr langes, zottiges Haar. Es war glatt wie das der Menschen aus Hochnord und hatte eine seltsame goldmelierte Farbe. Das war nicht das Gold der Amnhaare. Irgendwie war es überhaupt nicht hübsch. Außerdem war sie so besorgniserregend dünn, dass sie ungesund wirkte. Sie trug unpassenderweise ein elegantes Kleid mit tiefem Rückenausschnitt. Seitlich ihrer Haare waren ihre Schulterblätter zu sehen, die scharfkantig wie Messer wirkten.
    Dann drehte die Frau sich herum. Ich schlug beide Hände vor den Mund, damit ich nicht aufschrie. Oberhalb der Nase war ihr Gesicht normal. Darunter befand sich ein verzerrter, entsetzlich missgestalteter Mund. Ihr Unterkiefer hing fast bis zu ihren Knien herab. Die viel zu weite Ausdehnung ihres Gaumens wies mehrere Reihen winziger, nadelartiger Zähne auf. Die Zähne bewegten sich. Jede Reihe marschierte wie ein Ameisenzug an ihrem Kiefer entlang. Ich konnte sie sogar leise surren hören. Sie sabberte.
    Als sie meine Reaktion bemerkte, lächelte sie. Es war der entsetzlichste Anblick, den ich je gesehen hatte.
    Dann schimmerte sie und wurde zu einer normal aussehenden, unscheinbaren Amnfrau mit einem unscheinbaren Mund. Sie lächelte allerdings immer noch. Ihr Ausdruck war irgendwie beunruhigend hungrig.
    »Meine Götter«, murmelte Madding. Gottkinder sagten so etwas dauernd. »Du bist es wirklich.«
    Ich war verwirrt, weil er seine Worte nicht an die blonde Frau richtete. Die Antwort ließ mich zusammenzucken, weil sie ebenfalls aus einer unerwarteten Richtung kam — von oben.
    »O ja«, sagte diese neue, sanfte Stimme. »Er ist es.«
    Madding schwieg plötzlich. Diese Art zu schweigen kannte ich. Sie verhieß nichts Gutes. Seine beiden Adjutanten materialisierten flackernd und waren ebenfalls angespannt. »Na dann«, sagte Madding. Er sprach leise und vorsichtig. »Es ist lange her, Si'eh. Bist du aus Schadenfreude gekommen?«
    »Zum Teil.« Die Stimme klang wie die eines Jungen kurz vor der Pubertät. Ich sah hoch und versuchte herauszufinden, wo er sich befand. Vielleicht auf einem Dach oder an einem Fenster des zweiten oder dritten Stockwerks. Ich konnte ihn nicht sehen. War er ein Sterblicher? Oder ein weiteres schüchternes Gottkind?
    Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass sich vor mir etwas bewegte. Dann sprach der Junge. Seine Stimme befand sich jetzt auf der gleichen Ebene wie wir, nur einige Fuß entfernt. Also war er ein Gottkind.
    »Du siehst erschöpft aus, alter Mann«, sagte der Junge. Erst jetzt erkannte ich, dass auch er weder mit mir noch mit Madding oder der blonden Frau sprach. Schließlich bemerkte ich, dass sich an der Seite der Gasse nahe der Wand jemand am Boden befand. Wahrscheinlich saß oder kniete er. Aus irgendeinem Grund keuchte er. Irgendetwas an diesen erschöpften Atemzügen kam mir bekannt vor.
    »Sterbliches Fleisch ist an physikalische Gesetze gebunden«, fuhr der Junge fort. Er sprach mit der keuchenden Person. »Den Sterblichen entzieht Magie die Stärke. Wenn die Magie mächtig genug ist, kann sie dich auch töten — jedenfalls für eine Weile. Das ist nur eins von tausend neuen Dingen, die du lernen musst. Tut mir leid, alter Mann.«
    Die blonde

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