Die Gefährtin Des Lichts erbin2
gefesselt, dadurch hatte ich sie kaum bemerkt.
Ich saß inmitten dieser Fremden vor einem Luxusmahl und versuchte, meine Unruhe zu verbergen.
Ein Diener näherte sich und servierte. »Wünscht Ihr Ente, Lady Oree?«
»Ja«, sagte ich höflich. Erst dann bemerkte ich den Titel. »Aber bitte einfach nur Oree. Nicht >Lady< irgendwas.«
»Ihr unterschätzt Euch selbst«, sagte Serymn. Sie saß zu meiner Rechten in einem Neunziggradwinkel zu mir. Um den Tisch herum saßen noch mindestens sieben andere Gäste; ich hörte, wie sie sich gegenseitig etwas zuraunten. Der Tisch war entweder rechteckig oder oval. Serymn saß am Kopfende. Ihr gegenüber am anderen Ende saß auch jemand.
»Es ist angemessen, dass wir Euch mit >Lady< ansprechen«, sagte Serymn. »Bitte erlaubt uns, Euch diese Höflichkeit zu erweisen.«
»Aber das bin ich nicht«, sagte ich verwirrt. »In meinen Adern fließt kein Tropfen adligen Bluts. Es gibt in Nimaro keine Adelsfamilien, denn sie wurden mit dem Maroland vernichtet.«
»Ich denke, dass dieser Auftakt zu der Erklärung, warum wir Euch hierherbrachten, genauso gut ist wie jeder andere«, sagte Serymn. »Ich bin sicher, dass Ihr Euch diese Frage bereits gestellt habt.«
»Das könnte man so sagen«, sagte ich leicht verärgert. »Hado ...« Ich zögerte. »Meister Hado hat mir ein wenig erzählt, aber nicht genug.«
Einige meiner Tischnachbarn kicherten. Unter anderem hörte ich zwei tiefe Männerstimmen, die vom anderen Ende des Tisches erklangen. Ich erkannte eine davon und wurde rot: Hado höchstpersönlich.
Serymn klang ebenfalls amüsiert. »Wir verehren nicht Euren Reichtum oder Euren Stand, Lady Oree, sondern Eure Abstammung.«
»Meine Abstammung ist wie alles andere an mir gewöhnlich«, versetzte ich. »Mein Vater war Zimmermann, meine Mutter baute medizinische Kräuter an und verkaufte sie. Meine Großeltern waren Bauern. In meinem gesamten Stammbaum ist außer einem Händler nichts Ausgefallenes zu finden.«
»Erlaubt mir eine Erklärung.« Sie hielt inne und nahm einen Schluck Wein. Dabei beugte sie sich nach vorne. In dem Moment flackerte aus ihrer Richtung kommend ein Glühen auf. Ich drehte mich schnell herum, um es genauer zu betrachten, aber es war schon nicht mehr zu sehen.
»Wie seltsam«, sagte ein anderer meiner Tischnachbarn. »Die meiste Zeit scheint sie eine normale, blinde Frau zu sein, die ihr Gesicht nicht auf etwas Bestimmtes richtet. Aber jetzt gerade schien sie dich zu sehen, Serymn.«
Ich hätte mich ohrfeigen können. Es hätte wahrscheinlich nichts genützt, meine Fähigkeit zu verbergen. Dennoch hasste ich es, ihnen unabsichtlich Informationen zu geben.
»Ja«, sagte Serymn. »Dateh erwähnte ihr merkwürdiges Talent. Sie kann Magie sehen.« Dann tat sie etwas. Plötzlich konnte ich glasklar erkennen, wovon ich vorher nur einen kurzen Blick erhascht hatte. Es handelte sich um einen kleinen, festen Kreis goldglühender Magie. Nein ... der Kreis war ganz und gar nicht fest. Ich konnte nicht anders, als mich in seine Richtung zu beugen und meine Augen zusammenzukneifen. Der Kreis bestand aus vielen Dutzend winziger, dicht beschriebener Siegel in der spitzen Sprache der Götter. Gotteswörter. Ganze Sätze — gewissermaßen eine Abhandlung —, die sich wanden und so dicht überlappten, dass sie aus der Entfernung wie ein solider Kreis aussahen.
Dann verstand ich und wich entsetzt zurück.
Serymn bewegte sich erneut und ließ ihre Haare wieder an ihren Platz fallen. Das erkannte ich an der Art, wie der Siegelkreis verschwand. Ja, er musste sich auf ihrer Stirn befinden.
Das kann nicht sein. Das ergibt keinen Sinn. Das glaube ich einfach nicht. Aber ich hatte es mit meinen eigenen magischen Augen gesehen.
Ich leckte mir über meine plötzlich trockenen Lippen, faltete meine zitternden Hände im Schoß und nahm allen Mut zusammen, um zu sprechen. »Was macht ein Arameri-Vollblut bei einer kleinen, ketzerischen Sekte, Lady Serymn?«
Das schallende Gelächter, das daraufhin am Tisch ausbrach, war nicht die Reaktion, die ich erwartet hatte. Als es erstarb — ich saß die ganze Zeit unbehaglich schweigend da —, sagte Serymn mit einer Stimme, die immer noch vor Belustigung zitterte: »Bitte, Lady Oree, esst. Es gibt keinen Grund, während einer guten Unterhaltung nicht gleichzeitig auch ein wunderbares Mahl zu genießen, nicht wahr?«
Also aß ich einige Bissen. Dann tupfte ich mir manierlich den Mund ab, setzte mich gerade hin und machte so
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