Die Gefährtin Des Lichts erbin2
wurde stocksteif. »Sie wollen uns beschwichtigen.«
Ich kannte diese Stimme. Ich hatte sie inzwischen bereits drei Mal gehört: an der Südpromenade — kurz, bevor ich die Ordensbewahrer tötete. Auf dem Dach von Maddings Haus, bevor das Chaos ausbrach. Und schließlich, als ich zitternd und krank nach meiner Befreiung aus der Leere darniederlag.
Er saß Serymn gegenüber am anderen Ende des Tisches und strahlte dasselbe Selbstbewusstsein aus wie sie. Natürlich tat er das, er war schließlich ihr Nypri.
Ich saß da und zitterte vor Angst und Wut. Serymn kicherte. »Unverblümt wie immer, Dateh.«
»Es ist nur die Wahrheit.« Er klang belustigt.
»Hmm. Mein Ehemann will damit sagen, Lady Oree, dass der Orden - und durch ihn die Arameri-Familie — verzweifelt versucht, den Rest der Sterblichen davon zu überzeugen, dass die Welt so ist, wie sie sein soll; dass trotz der Existenz all unserer neuen Götter sich nichts sonst ändern sollte — politisch gesehen. Dass wir glücklich ... sicher ... und selbstzufrieden sein sollen.«
Ehemann. Ein Arameri-Vollblut verheiratet mit einem Mitglied einer ketzerischen Sekte?
»Das ergibt keinen Sinn«, sagte ich. Ich konzentrierte mich auf die Gabel in meiner Hand und auf das Knistern des Kaminfeuers im Hintergrund. Das half mir, ruhig zu bleiben. »Ihr sprecht von den Arameri, als ob Ihr nicht zu ihnen gehört.«
»In der Tat. Sagen wir, dass meine Aktivitäten nicht vom Rest der Familie genehmigt sind.«
Der Nypri klang amüsiert. »Oh, vielleicht würden sie es genehmigen, wenn sie davon wüssten.«
Serymn und die anderen am Tisch lachten darüber. »Glaubst du das wirklich? Du bist wesentlich optimistischer als ich, Liebling.«
Sie neckten sich weiter. Ich hingegen saß da und versuchte, mir einen Reim zu machen auf Adel, Verschwörung und tausend andere Dinge, die bisher in meinem Leben keinen Platz gehabt hatten. Ich war nur eine Straßenkünstlerin. Nur eine Maroneh- Frau, die verängstigt und weit weg von Zuhause war.
»Ich verstehe das alles nicht«, sagte ich schließlich und unterbrach sie. »Ihr habt mich entfuhrt und hierhergebracht. Ihr versucht, mich dazu zu zwingen, Euch beizutreten. Was hat all dies — der Lord der Finsternis, der Orden, die Arameri - mit mir zu tun?«
»Mehr, als Ihr denkt«, sagte der Nypri. »Die Welt ist momentan in großer Gefahr — und nicht nur durch die Rache des Lords der Finsternis. Bedenkt: Zum ersten Mal seit Jahrhunderten sind die Arameri verwundbar. Sicher, sie haben immer noch großen politischen und finanziellen Einfluss und errichten eine Armee, die jede Nation zweimal darüber nachdenken lässt, ob sie einen Aufstand anzetteln soll. Doch sie sind momentan nicht unbesiegbar. Könnt Ihr Euch vorstellen, was das bedeutet?«
»Dass eines Tages eine andere Tyrannenfamilie unsere Geschicke lenken wird?«, versetzte ich. Trotz meiner Anstrengung, höflieh zu bleiben, wurde ich immer wütender. Sie redeten um den heißen Brei herum und beantworteten meine Fragen nicht.
Serymn schien nicht beleidigt zu sein. »Möglich, aber welche Familie? Jedes Adelshaus aus jedem Volk in jedem Land wird die Chance ergreifen wollen, das Königreich der Hunderttausend zu regieren. Wenn sie alle gleichzeitig danach streben, was, glaubt Ihr, wird dann passieren?«
»Es wird noch mehr Skandale, Intrigen und Mordanschläge geben, oder sonstige Dinge, mit denen ihr Adligen euch die Zeit vertreibt«, sagte ich. Lady Nemmer wäre immerhin zufrieden.
»Ja. Ebenso wie Umstürze, wenn schwache Adlige durch stärkere oder ehrgeizigere ersetzt werden. Weiterhin Aufstände in jenen Ländern, in denen Minderheiten sich um einen Anteil an der Macht zanken. Es wird neue Bündnisse geben, wenn die kleineren Königreiche sich zusammentun, um stärker zu werden. Und schließlich Verrat, denn jedes Bündnis hat seine Verräter.« Serymn stieß einen langen, erschöpften Seufzer aus. »Krieg, Lady Oree. Es wird Krieg geben.«
Obwohl ich nie ein braves Itempaner-Mädchen gewesen war, zuckte ich doch zusammen. Krieg war der absolute Gegenpol zu Bright Itempas. Ich hatte Geschichten über die Zeit vor dem Zeitalter der Helligkeit gehört. Das war, bevor die Arameri Gesetze erließen, die Gewalt und Konflikte strikt reglementierten. In den alten Zeiten waren Tausende in jeder Schlacht ums Leben gekommen. Städte waren dem Erdboden gleichgemacht worden. Ihre Einwohner wurden abgeschlachtet, denn Armeen von Kriegern kamen mit der Absicht über die hilflosen
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