Die Gefährtin Des Lichts erbin2
Serymn nahm das meiner Meinung nach mit bemerkenswerter Gelassenheit zur Kenntnis. Ich hätte nicht erwartet, dass eine Arameri Spott wegsteckte; auch dann nicht, wenn er im Wesentlichen auf Kosten anderer ging.
»Zugegeben, der >Schattenlord< war ein kläglicher Versuch, eine Ablenkung zu schaffen«, antwortete sie. Dann wandte sie mir ihre Aufmerksamkeit wieder zu. »Aber meine Familie hatte alle Hände voll zu tun, eine Panik zu vermeiden, Lady Oree. Wir haben jahrhundertelang die Herzen der Sterblichen mit Angst davor erfüllt, dass der Lord der Finsternis freigelassen werden könnte. Es war besser, dass er an unserer Leine lag, denn sonst wäre er über die Welt gekommen und hätte sich fürchterlich an ihr gerächt — so stellten wir es dar. Jetzt verhindern nur noch einige fadenscheinige Lügen beim Volk die Erkenntnis, dass uns allen das Schicksal der Maro blühen könnte.«
Sie sprach ohne jede Verbitterung oder Scham von der Vernichtung meines Volkes, die der Fehler ihrer Familie gewesen war. Ich schäumte vor Wut. Aber so waren die Amn: Sie taten ihre Fehler mit einem Achselzucken ab, wenn man sie überhaupt dazu bringen konnte, sie zuzugeben.
»Aber wir wurden von dem dritten Mitglied der Drei gerettet — und darin liegt das wahre Wunder, Lady Oree. Enefa des Zwielichts, Schwester des Bright Itempas, ist seit zweitausend Jahren tot. Wer ist denn dann diese Graue Lady? Ihr seid mit vielen der Gottkinder in der Stadt bekannt. Haben sie dieses Geheimnis für Euch aufgedeckt?«
Ich erkannte, dass Madding dies nicht getan hatte, und blinzelte überrascht. Er hatte über den Tod seiner Mutter gesprochen. Die Trauer darüber erstickte immer noch seine Stimme. Allerdings hatte er über seine Eltern auch in der Gegenwart gesprochen, als ob sie noch am Leben waren. Es war mir nie in den Sinn gekommen, ihn danach zu fragen. Jedoch hatte ich bis vor Kurzem auch gedacht, ich verstünde die Hierarchie der Götter.
»Nein«, sagte ich.
»Hmm. Dann werde ich Euch in ein großes Geheimnis einweihen, Lady Oree. Vor zehn Jahren hat eine sterbliche Frau ihren Gott und ihre Menschlichkeit verraten, indem sie ein Komplott schmiedete, um den Lord der Finsternis — ihren Liebhaber — freizulassen. Sie hatte Erfolg und wurde für ihre Bemühungen mit der verlorenen Macht Enefas belohnt. Sie wurde sogar zu einer neuen Enefa, einer eigenständigen Göttin.«
Unwillkürlich hielt ich überrascht den Atem an. Ich hatte es nicht für möglich gehalten, dass ein Sterblicher zu einem Gott werden konnte. Doch das erklärte einiges: Die Beschränkungen, denen die Gottkinder unterworfen waren, warum sie sich nur in der Stadt Schatten aufhalten durften und weshalb sie sich gegenseitig so sorgfältig überwachten, um ein Massaker zu verhindern. Eine Göttin, die selbst einmal sterblich gewesen war, könnte Anstoß daran nehmen, wenn man das sterbliche Leben nicht respektierte.
»Die Graue Lady ist für uns unerheblich«, sagte Serymn. »Soweit wir wissen, verdanken wir ihr sogar den momentanen Frieden.« Sie beugte sich vor und stützte ihre Ellenbogen auf den Tisch. »Ihr könnt Euch sicherlich vorstellen, dass der Lord der Finsternis die Sterblichen abgrundtief hasst. Sterbliche haben ihn im Krieg der Götter verraten und Itempas zu seinem Sieg verholfen. Dann haben sie ihn über Jahrtausende hinweg versklavt und gedemütigt. Was er dem Maroland zufügte, war ein Unfall. Seine Rache, wenn sie kommt, wird langsam, wohlüberlegt und unvorstellbar grausam sein.«
Ich legte das Brot weg. Mir war der Appetit vergangen.
Eltern in Maroneh erzählen keine beruhigenden Gute-Nacht- Geschichten. So, wie wir unsere Kinder nach Trauer und Wut benennen, stellen wir auch sicher, dass wir ihnen Geschichten erzählen, die sie zum Weinen bringen und mitten in der Nacht durch Albträume erwachen lassen. Wir wollen, dass unsere Kinder
Angst haben und niemals vergessen. Dadurch sind sie vorbereitet, wenn der Lord der Finsternis jemals zurückkehrt.
»Warum hat der Orden des Itempas ...« Ich brach ab und wusste nicht, wie ich es sagen sollte, ohne einen Raum voll früherer Ordensmitglieder zu beleidigen. »Der Lord der Finsternis. Warum sollte man ihn ehren, nur, weil er frei ist? Er hasst uns bereits. Glaubt der Orden wirklich, dass ein erzürnter Gott sich durch derartige Scheinheiligkeit zurückhalten lässt?«
»Die Itempaner versuchen nicht, die Götter zurückzuhalten, Lady Oree.« Das kam von dem Mann am anderen Ende des Tischs. Ich
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