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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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seiner Anhänger – sie nannten sich damals noch Spiritualen, den Orden der Fratizellen hat Clarenus erst später gegründet – wurden eingekerkert. Die Hartnäckigen unter ihnen wurden verbrannt, genauso wie einst die Katharer, so sie denn nicht vom falschen Glauben abließen.«
    »Aber wenn Laurent ein Fratizelle …«
    »Ja, ein Fratizelle war er. Vor allem aber ein Vetter von Gasbert de Laval. Denkst du, er lässt sich seinen Ruf vom Rauch des Scheiterhaufens beflecken, auf dem einer seiner Familie steht?«
    »Er hat Laurent gerettet …«
    »Sagen wir es so: Er hat dafür gesorgt, dass niemand mehr um dessen Vergangenheit wusste – dass er nämlich lange Jahre in einer Gemeinschaft lebte, deren Mitglieder nunmehr fast alle tot, weil verbrannt worden sind. Nur Laurent konnte sie nicht vergessen. Wäre ich Laval, ich würde nicht auf sein Schweigen setzen.« Giacinto schnaufte abfällig. »Laurent sieht sich als Judas und ist nicht stark genug, sich zu erhängen. Er verachtet, wofür Laval steht, und fügte sich doch seinem Wunsch, als jener ihn drängte, wieder in den Schoß der Kirche zurückzukehren. Jeden Tag reut es ihn, sich von ihm helfen zu lassen, und doch lässt er sich auf weitere Possen ein, auf dass ihm diese Hilfe auch weiterhin gewährt bleibt. Er fühlt sich einsam ohne seine einstigen Mitbrüder, und irgendwann wird er sich ins Grab saufen, wenn er schon keinen schnelleren Weg wagt, um endlich dort zu liegen zu kommen. Ach herrje«, wieder schnaubte er, »noch erbärmlicher als schwache Menschen sind jene, die auch noch um ihre Schwäche wissen.«
    Giacinto spuckte aus, um im nächsten Augenblick selbstgefällig zu grinsen. »Aber was soll’s«, setzte er hinzu, »mir hat das alles immer genützt.«
    Sie dachte an Marguerites Worte. Giacinto handelt mit Waren – und mit geheimem Wissen.
    »Ihr habt Marguerite in Eurem Haushalt aufgenommen. Und aus Dank hat Laval Euch zum wichtigsten Hoflieferanten gemacht. Marguerite wiederum hat Euch, um ihre Stellung hier zu sichern und um sich wie eine Hausherrin aufspielen zu können, alles anvertraut, was sie jemals an interessantem Wissen in Erfahrung bringen konnte … darunter auch, dass Lavais schüchterner Kaplan ein dunkles Geheimnis hat.«
    »Ich würde Laurent nie verraten.«
    Das glaubte sie ihm sogar. Man mochte Giacinto vieles vorwerfen – an Treue für die, mit denen er Geschäfte machte, fehlte es ihm nicht.
    Alaïs drehte sich um, suchte der vielen Gedanken Herr zu werden, die auf sie einprasselten.
    »Du kannst hier nicht bleiben«, sagte er knapp. »Mach, dass du mein Haus verlässt! Ich will nicht …«
    Er sprach nicht weiter, aber sie wusste, was er meinte. Sie war das Band zwischen ihm und Aurel. Ohne sie würde man leichter vergessen, dass er es einst gewesen war, der dem Papst den
Cyrurgicus
vorgestellt hatte.
    »Aber was soll ich nur tun, ich weiß doch nicht …«
    Sie war den Tränen nahe. Giacinto rümpfte die Nase.
    »Ich weiß doch nicht, wohin Aurel und Emy geflohen sind«, fügte sie hinzu.
    Sein Gesicht blieb hart. Sie hörte ihn schon sagen, dass ihn das nichts anginge, dass ihm ihr Wohl immer gleich gewesen war. Doch er bedachte wohl, dass ihm ein heulendes, kopfloses Mädchen deutlich mehr Schwierigkeiten einbringen würde als eines, dessen er sich annahm.
    »Aber ich weiß es«, sagte er. »Oder denkst du, mir entgeht, was in Avignon geschieht? Einer meiner Handelszüge ist eben nach Nizza aufgebrochen. Sie werden den Weg über das Tal der Durance nehmen, über Draguignan und Grasse. Ich habe dafür gesorgt, dass Aurel und sein Bruder sich ihnen anschließen. Unter ihnen wird man die beiden nicht vermuten – und dich auch nicht.«
    Die Tränen, die sie mühsam unterdrückt hatte, traten ihr in die Augen – aber sie perlten nicht über ihre Wagen. Anstatt zu weinen, lachte sie plötzlich bitter. »Es ist erstaunlich, dass Gasbert de Laval ausgerechnet Euch zum Helfershelfer gemacht hat, als es um Marguerites Verbleib und Roselinas künftiges Wohl ging. Wo Ihr doch kein Pfaffe seid, und er gerade darauf so viel Wert legt.«
    Giacinto zuckte die Schultern. »Keiner wusste so gut wie er, dass die Pfaffen die Frucht seines Leibes und obendrein jene, diesie getragen hat, als Sünderinnen schmähen würden. Wer nicht geweiht ist, verdient keine Gnade und kein Mitleid. Ich hingegen war immer gut zu Roselina und Marguerite.«
    Aus schlichtem Eigennutz, dachte Alaïs im Stillen.
    »Roselina starb seinetwegen«, murmelte sie.

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