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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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ein Kind an den Brüsten seiner Amme und reichte ihn schließlich Marguerite.
    »Ich bin einsam«, lallte Laurent Bonredon weinerlich. »Ich bin so schrecklich einsam.«
    Marguerite trank nicht langsam wie er. Sie kippte den Wein förmlich in sich herein. Sie verschluckte sich, hustete. »Ich auch«, ihre Stimme klang nicht trunken, sondern nüchtern und kalt. »Ich auch.«
     
    Bis zu diesem Augenblick hatte sich Alaïs wie gelähmt gefühlt. Doch als sie Laurent sah, kehrten die Lebensgeister in sie zurück, und aus der übermächtigen Schuld, nicht ausreichend auf Roselina aufgepasst zu haben, formte sich die Anklage, dass andere sie mit ihrer gemeinen Verschwörung dazu erst getrieben hatten.
    Mit Fäusten ging sie auf den Priester los, schlug auf seine Brust, die sich schwammig anfühlte, hieb so lange auf ihn ein, bis ihm der Weinschlauch entglitt. »Du Betrüger!«, kreischte sie. »Du verdammter Betrüger!«
    Laurent starrte sie mit wässrigem Blick an. Marguerite achtete gar nicht erst auf sie. Doch Alaïs konnte nicht aufhören – zu groß war die Wohltat, all das Entsetzen und den Ekel, die Ohnmacht und die Angst aus sich hinauszuspeien. Sie stampfte auf den Boden, als würde sie ihn treten.
    »Wie konntet Ihr dieses grässliche Spiel mitmachen! Warum, zum Teufel, habt Ihr Euch als Franziskaner verkleidet?«
    Ihre schrille Stimme war nicht unbemerkt geblieben. Wie am Tag zuvor beglotzte eine Gruppe von Menschen sie. Ihre Blicke waren müder, gleichwohl die Sensation, dass ein niederes Mädchen auf einen Priester losging, bei weitem erregender auf sie zu wirken schien als Roselinas schrecklicher Tod. Und doch – nach der Fülle an Leid und Tod war es abstoßend zu sehen, dass Laurent mit Tränen antwortete. Manch einer senkte den eben noch aufdringlichen Blick, als Laurent zu schluchzen begann.
    »Gasbert würde nicht wagen, eine Kutte zu entweihen, indem er sie einem gibt, dem sie nicht zusteht«, stammelte er. »Ich war als Franziskaner gekleidet, weil ich einer bin …«
    »Was für ein Unsinn!«, schrie Alaïs. »Ihr tragt doch jetzt keine Kutte, und an dem Abend damals …«
    »Weil ich einer war«, berichtigte sich Laurent.
    Alaïs verstand kein Wort, vor allem nicht, wie er auch nur auf die Idee kommen konnte, dies sei eine Rechtfertigung für seinen schäbigen Betrug. Während er immer mehr in sich zusammensank, wollte sie erneut auf ihn losgehen, ihn anschreien, ja, ihn schlagen, wenn es Not tat.
    Eine Hand riss sie zurück.
    »Bist du wahnsinnig, so ein Geschrei zu machen? Willst du alle Blicke auf dich ziehen? Was machst du überhaupt noch in Avignon?«
    Alaïs hatte Giacinto Navale noch nie so laut erlebt. Er zerrte sie mit sich und blieb erst stehen, als er sie wieder ins Haus gebracht hatte.
    »Also …«, fragte er nunmehr ruhiger, jedoch nicht weniger widerwillig. »Du wagst es, in Avignon zu bleiben?«
    Verständnislos starrte Alaïs ihn an. »Aurel …«, fiel ihr ein.
    »Richtig, Aurel ist fort. Sein Bruder auch. Und jeder weiß, dass du zu ihnen gehörst. Du warst doch dabei, als sie geheime Absprachen mit einem Franziskaner und mit einem Deutschen getroffen haben – beides Erzfeinde des Papstes.«
    »Das ist Unsinn … Teil einer Verschwörung!«, rief Alaïs. »Sie haben keine Absprachen …«
    »Aber das ist es, was alle denken!«, unterbrach er sie scharf. »Und wenn die beiden schon geflohen sind, dann wirst du als Zeugin dienen, dass Aurel versucht hat, den Papst zu meucheln.«
    Alaïs erschrak. Gasbert de Laval hatte sie vorhin hier gesehen.
    »Ich verstehe das alles nicht!«, rief sie. »Warum hat Laurent an der Sache mitgewirkt? Aurel hat ihm das Leben gerettet, nachdem Laurent versucht hatte, sich zu erwürgen, damals vor zwei Jahren.«
    Giacinto Navale verdrehte die Augen und seufzte. Kurz schien er damit zu ringen, ob sie es überhaupt wert war, Zeit an sie zu verschwenden. Doch dann begann er zu sprechen – wohl weniger, um ihre Frage zu beantworten, als vielmehr, um seinem Ärger Herr zu werden, in diese Lage geraten zu sein.
    »Du weißt doch, dass der Papst die Fratizellen als Ketzer verurteilt hat – jene Gruppe unter den Franziskanern, die sich dem Armutsideal noch entschiedener verpflichten wollte. Sie sahen sich als neuer franziskanischer Ordenszweig und erbaten die Zustimmung des Papstes. Sechs Jahre ist das her. Er hat ihren geistigen Führer Angelus Clarenus nach Avignon vorladen lassen und dort exkommuniziert. Clarenus gelang noch die Flucht, aber viele

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