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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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nicht zurückdrehen, du kannst ein totes Mädchen nicht lebendig machen. Nur dein verfluchtes Maul kannst du halten, wenigstens das! Also hör auf, dich im Selbstmitleid zu suhlen!«
    Jetzt endlich ließ sie seinen Kopf los. Speichel trat ihr in die Mundwinkel, so laut schrie sie. Er brannte nicht – nicht so wie die Tränen.
    Aurel schüttelte wieder den Kopf, blickte sich erneut suchend in der Höhle um, als erhoffte er sich jemanden, der ihn vor dem wilden Mädchen bewahren könnte. Doch Emy war nicht hier. Emy war gegangen, um etwas zu essen zu holen.
    »Wie … wie redest du mit mir?«, fragte er hilflos.
    »So wie offenbar noch keiner mit dir geredet hat!« Ihre Stimme hallte von den Wänden. »Die einen intrigieren heimlich hinter deinem Rücken, und Emy ist zu buckeln gewohnt. Aber ich, ichlasse mich nicht mehr von dir blenden. Ein Mann wie kein anderer, das warst du mir vor langer Zeit. Frei wie keiner. Skrupellos wie keiner. Stolz wie keiner. Keine Frau wolltest du haben und kein Kind, weil alles, alles dich von der großen
Cyrurgia
fernhalten könnte. Und doch konntest du nicht verhindern, dass ein Kind starb. Drum frage ich mich: Bist du wirklich so anders? Bist du wirklich nicht verführbar? Kannst du tatsächlich auf deinem blassen Thron hocken bleiben, während ein lautes, frisches, starkes Mädchen wie ich um dich buhlt?«
    All das war sie in diesem Augenblick nicht, vermeinte auch, sie könnte es nie wieder sein, und doch trat sie noch dichter an ihn heran, atmete ihm ins Gesicht. Sein Blick flackerte, seine Wangen röteten sich.
    »Lass mich in Ruhe.« Er wollte sich abwenden.
    »Das kannst du, nicht wahr!«, schrie sie und erschrak selbst über die Wucht, mit der all die alte Kränkung erneut über sie kam, sich mit ihrem gegenwärtigen Schmerz verband, sich zum unerträglich festen Knäuel aus Verbitterung und Trauer, Enttäuschung und Schuld verschlang. »Das kannst du ja so gut! Den Blick vor mir senken, einfach fortgehen, mich vergessen, weil ja nur dein Leben zählt, dein verfluchtes Leben. So hast du’s immer schon gehalten! Du hast mich nicht angesehen, du hast mir nicht zugehört, du hast mir nie gedankt! Aber die Wahrheit ist, Aurel Autard, dass ich dir dein Leben gerettet und dafür ein anderes aufs Spiel gesetzt habe. Ich dachte, du wärst mir gleich, und doch habe ich Roselina achtlos stehengelassen und bin zu Emy gerannt, um euch zu warnen. Tu nicht, als würde es mich nicht geben! Ist denn irgendwo ein Kranker, ein Leidender, dem Blut und Eiter aus den Poren quellen? Gibt es hier einen Verwesenden, in dessen stinkenden Därmen du wühlen kannst? Mitnichten! Nur ich bin da, also sieh mich an! Hör mir zu! Nimm mich!«
    »Was zum Teufel willst du denn?«
    »Was ich will?«, kreischte sie. Weitere Tränen quollen aus ihren Augen. »Ich dachte, es ginge dir immer nur darum, was du willst. Und ich weiß sogar, was das ist. Ich weiß das ganz genau.Du willst jeden Körper bis auf den Grund erforschen, jede Faser, jeden Knochen, jedes Fleckchen Haut, jedes Tröpfchen Blut. Aber wenn es so ist – warum erforscht du nicht den meinen? Alles muss man wissen, alles muss man verstanden haben, um ein guter
Cyrurgicus
zu sein – so ist es doch, nicht wahr? Wann aber hättest du jemals mich verstanden?«
    Sie machte keine Pause zwischen den Worten. Sie reihten sich so eng aneinander, dass weder Platz für Stille war noch für Scham. Und als sie ihr schließlich ausgingen, setzte sie seinem unsicheren Schweigen etwas anderes entgegen. Ruckartig zog sie sich das Leinenkleid von den Schultern. »Hier, befühle es, das Fleisch meiner Brüste! Wie oft hast du dergleichen aufgeschnitten, aber hast du jemals gefühlt, wie weich und wie rund wir Frauen sind?«
    Sie packte seine Hand, jene langen, f eingliedrigen Finger, die ansonsten so geschickt, so beherrscht waren. Nicht einmal ein Zittern gönnte er ihnen, wenn er Menschen aufschnitt. Nun aber zitterten sie, bebten, wussten nichts zu tun. Sie gab ihnen die Richtung vor, legte sie auf ihre Haut, ihre warme, pulsierende Haut.
    »Alaïs …«
    Sie packte die Hand fester, führte sie über ihren Hals, ihre Brüste, ihren Bauch. Der Stoff ihres Kleides rutschte noch tiefer. »Ja«, sagte sie. »Das wusstest du nicht. Wie weich und wie rund wir Frauen sind. Und wie feucht.«
    Er zuckte zusammen, wollte ihr wieder die Hände entziehen, doch sie ließ es nicht zu.
    »Alles, alles weißt du über die Männlichkeit! Wie Kinder gezeugt werden und wie das am

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