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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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»Gasbert weiß es nicht, aber er allein trägt die Schuld.«
    Giacinto maß sie flüchtig. »Er allein?«, fragte er. »So viel ich weiß, war sie in deiner Obhut.«
    Alaïs schluckte schwer. »Ich habe nicht mit Absicht …«
    Er hob abwehrend die Hand und sagte das, was er wahrscheinlich die ganze Zeit hatte sagen wollen. »Halt den Mund! Es ist mir völlig gleich …«
    Er sah hinaus in den Hof, und Alaïs folgte seinem Blick. Laurents Gesicht war rot vom Wein. Marguerite hatte sich auf den dreckigen Boden fallen lassen und suhlte sich dort wie eine Sau.
     
    Alaïs drehte sich nicht noch einmal um, als sie die Stadt nur mit dem, was sie am Leibe trug, verließ. Stattdessen hockte sie zitternd auf einem Wagen des Kaufmannszugs, der Richtung Süden aufgebrochen war, einzig bemüht, nicht an das zu denken, was geschehen war. Es gelang ihr nicht. In ihrem Kopf drehte es sich, bis ihr schwindlig und übel war. Wurde sie im Wagen hin – und hergeworfen, legte sie keinen Widerstand darein, als wäre ihr Leib nichts weiter als ein seelenloses Handelsgut. Andere bestimmten die Richtung. Andere schließlich vollzogen auch Giacintos Befehl, sie mit den beiden Männern zusammenzuführen, die vor ihr geflohen waren.
    Das war in der Nähe des Meers, doch dessen kraftvolles Rauschen und salziger Duft konnten sie nicht beleben – ebenso wenig wie Aureis und Emys Gesichter, die noch ratlos dreinblickten ob der Ungeheuerlichkeit, die ihnen widerfahren war. Sie begrüßten sich nicht, standen einander starr gegenüber und regten sich schließlich erst, als die Stimme eines Mannes ertönte: »Was ist nun? Kommt ihr mit uns oder sollen wir ohne euch weiterziehen?«
    Alaïs konnte sich später nicht mehr erinnern, wer diese Entscheidung gefällt hatte, ob Aurel, Emy oder einer der Florentiner. Doch als die übelkeit langsam nachließ und sie begriff, dass sie nicht länger in Avignon sein würde, da fand sie sich in der gleichen Lage wieder wie einst, als sie Saint – Marthe hatte verlassen müssen: allein mit zwei flüchtigen Männern, die an dem Ort, von dem sie kamen, als Gesetzlose galten. Ohne Geld und Besitz und nur mit dem Talent ausgestattet, Kranke zu heilen.

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XXIII. Kapitel
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    In den nächsten Tagen freilich heilte Aurel niemanden. Er war benommen wie sie und ließ sich von Emy stets aufs Neue erklären, welcher Intrige sie zum Opfer gefallen waren. Jedes Mal reagierte er, als hätte er es noch nicht gehört. Jedes Mal fuhr er trotzig auf und verkündete, er ließe sich von einem Gasbert de Laval den Ruf nicht verderben. Und jedes Mal schwieg er schließlich, als Emy ihm vorhielt, dass dagegen nichts zu machen sei, außer, dass sie so schnell wie möglich weitergingen. Keiner wusste, ob Gasbert de Laval sich mit diesem Sieg begnügte. Durchaus möglich war es, dass er ihnen seine Häscher nachschickte.
    Nachdem sie sich von Giacintos Handelszug getrennt hatten, blieben sie in Küstennähe, gingen manchmal an sandigen Stränden oder – wo es steinig und zerklüftet war – auf ausgetretenen Maultierpfaden weiter. Ein wenig erinnerte Alaïs diese Landschaft an ihre Heimat, mit dem Unterschied, dass die Buchten nicht so tief ins Land hineinreichten und es förmlich zerrissen, sondern sich viele weiche Hügel aneinanderreihten. An einer Stelle hatte das Meerwasser in eine Klippe ein Loch gegraben, und als Emy es durchschritt, entdeckte er dahinter eine Höhle, die weit ins Innere führte. Einst mochte es eine Grotte gewesen sein, die tief im Wasser stand. Die Wände waren feucht, doch der Schlamm und die Algen waren längst zu einem lehmartigen Boden gestockt.
    »Lasst uns hier für einige Tage bleiben!«, sagte Emy. Es klang wie ein Vorschlag – und war bereits eine Entscheidung. Denn weder Alaïs noch Aurel hatten Kraft, etwas dagegen einzuwenden. Emy war es auch, der Fische fing, der die Zapfen jener Bäumesammelte, die sich an die karge Klippe klammerten, und daraus ein Feuer machte, und der schließlich zu einer längeren Erkundung aufbrach. Vielleicht würde er Wasser finden, vielleicht auf Menschen stoßen, denen er etwas zu essen abkaufen konnte.
    Erneut gaben weder Aurel noch Alaïs ihre Zustimmung, sondern nahmen es hin. Schweigen senkte sich über sie, nachdem Emy gegangen war.
    Je länger sie in der Höhle hockte, desto weniger vermochte Alaïs, sich zu rühren. Und je länger sie sich nicht rührte, desto mehr fror sie. Sie wusste nicht, ob das Zittern von tief drinnen kam oder weil es in der Grotte so

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