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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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kalt und feucht war, nur, dass schließlich ihre Zähne klapperten.
    Emy, dachte sie, Emy würde es bemerken. Er würde ihr ein Tuch umhängen oder darauf achten, dass das Feuer kräftig brannte. Ihr selbst war es gleich, als die Flammen immer magerer wurden, schließlich zu einer roten Glut schrumpften – und auch Aurel scherte sich nicht darum.
    Anders als sie, die sich nicht zu rühren vermochte, ging er unruhig auf und ab. Mehrmals drohte er auf den glitschigen Steinen auszurutschen.
    »Verflucht!«, rief er. »Verflucht! Ich bin so weit gekommen. Ich hatte den Papst auf meiner Seite, die Studenten schätzten mich. Dank mir hätte sich die medizinische Fakultät in Avignon in eine Richtung entwickeln können, die selbst Bologna oder Montpellier in den Schatten gestellt hätte. Irgendwann in vielen Jahrhunderten hätte man nicht mehr von diesen beiden Städten oder von Salerno gesprochen, sondern von Avignon! Und mein Name, mein Name wäre gerühmt worden. Ich hätte alles grundlegend verändert, die anatomischen Studien, die Operationen. Du kannst dich doch noch daran erinnern – an das Rohr, das ich seinerzeit jenem Priester ins Maul geschoben habe, auf dass er besser atmen konnte. Ich wollte diese Technik verfeinern. Jenes Rohr darf nicht aus Holz sein, es müsste biegsam sein, um es möglichst weit in den Rachen zu bringen, vielleicht aus Leder, vielleicht aus …«
    »Hör auf!«, unterbrach sie ihn. Ihre Stimme klang dunkel.
    Aurel schüttelte den Kopf. »Diese kleingläubigen, neidischen Buckler haben meine Laufbahn ruiniert! Diese dummen, unseligen …«
    »Hör auf!«, unterbrach sie ihn wieder, und ihre Stimme wurde schriller.
    »Ich hätte …«
    Alaïs sprang auf. So hastig hatte sie sich schon lange nicht mehr bewegt, und sie fühlte das Blut, das in die eben noch abgeknickten Glieder floss. »Du hättest ein kleines Mädchen womöglich vor dem sicheren Tod retten können«, unterbrach sie ihn scharf. »Und das ist in diesem Augenblick das Einzige, was zählt. Verstehst du nicht? Es geht nicht um dich! Niemanden hier interessiert, was du denkst und was du fühlst! Es … es geht um Roselina!«
    Aurel fuhr herum, musterte sie. Dann schweifte sein Blick verwirrt durch die Höhle, als gewahrte er erst jetzt, dass er allein mit ihr war.
    »Wovon redest du?«, fragte er verständnislos.
    Er hat nicht einmal bemerkt, dass Emy gegangen ist, dachte Alaïs bitter.
    Es war wohltuend, ihm zu zürnen, auf altvertraute Weise, die sie an ein lange vergangenes Leben erinnerte, das so viel aufregender, beschwingter und farbenfroher gewesen war als diese Stunde. Vermeintlich verjährte Wut stieg in ihr hoch, so frisch mit einem Mal, als hätte sie sie gerade erst vergiftet.
    »Halt endlich dein Maul, Aurel Autard!«, fuhr sie ihn an. »Es ist nicht nur deine Welt, die in Trümmern liegt. Irgendwo in Avignon trauert eine Mutter um ihr Kind … und kann nicht weinen, sich nur betrinken. Ich bin schuld daran, ich bin schuld … aber du bist es auch. Weil du nicht gekommen bist, weil du nicht kommen durftest … weil du dir mit deinem Stolz und deiner Dreistigkeit alle Welt zum Feind machst! Auch deinetwegen ist Roselina tot, auch deinetwegen!«
    Er schüttelte verwirrt den Kopf. »Sag, hast du den Verstand verloren?«
    Das Kribbeln in ihren Füßen hatte nachgelassen. Sie sprang auf ihn zu, achtete nicht darauf, dass sie auf die erloschene Feuerstelle trat und ihre dünnen Lederschuhe rußig schwarz wurden. Seit Jahren war sie ihm nicht so nahe gekommen.
    Schwindel erfasste sie, der pelzige Geschmack auf ihrer Zunge verstärkte sich. Nicht nur Erschöpfung und Trauer plagten sie, auch der Mangel an Wein, süffigem, süßem Wein, der sie stets sämtliche Unbill des Lebens – und dazu zählte auch Aurel – hatte vergessen lassen. Nun gab es keinen Wein mehr in ihrem Leben – dafür wieder ihn.
    »Sag, hast du den Verstand verloren?« Diesmal schrie er. Unvermittelt hatte sie seine Hände gepackt und sie sich um den Kopf gelegt. Seine Finger waren kalt. »Und wenn es so wäre? Dann hilf mir doch! Schneide mir den Kopf auf, zieh mir den Hautlappen ab, durchbohre meine Knochen – und gib ihn mir wieder, meinen Verstand!«
    Er wollte ihr kopfschüttelnd die Finger entziehen, doch sie ließ ihn nicht los. »Oder kannst du es etwa nicht?«, rief sie kreischend, und plötzlich sprühten ihre Augen Tränen. »Obwohl du doch der größte
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