Die Gefährtin des Medicus
näherte. Alaïs folgte Pios Blick – und riss die Augen auf, als sie die Männer sah, diehoch zu Pferde saßen. Ihre Mienen waren so streng und undurchdringlich wie die von Soldaten, ihre Kleidung glich der ihren jedoch mitnichten.
Statt glänzenden Rüstungen trugen sie lange weiße Mäntel, auf deren Mitte ein schwarzes Kreuz eingeprägt war.
Pio Navale blickte so erstaunt wie sie. »Sind das etwa Templer?«, fragte er an Simeon gewandt und vergaß in seiner Neugierde die Augen ins Weiße zu verdrehen. »Das ist doch nicht möglich! Papst Clemens hat vor vielen Jahren den Templerorden zerschlagen!«
Simeon zuckte die Schultern. »Manche von ihnen haben Zuflucht in Aragon, Kastilien und Portugal gefunden. Aber das sind keine Templer, sondern Mitglieder eines Ordens von Soldatenmönchen. Der Orden von Notre – Dame de Montesa. Sie haben hier auf der Insel eine eigene Komturei.«
Wie so oft war Alaïs verwundert, dass der Jude oft so viel mehr wusste als sein christlicher Herr. Nun freilich verstummte er – nicht weil ihm die Worte ausgingen, sondern weil die Reiter sie umkreisten. Rasch senkte er seinen Blick, als würden die berittenen Mönche ihn übersehen, wenn er selbst nur lange genug an ihnen vorbeistarrte.
Alaïs vermochte nicht, es ihm gleichzutun. Ihr Blick glitt von Mann zu Mann, die den Kreis nun immer enger um sie zogen. Eben noch hatte sie es für einen Zufall gehalten, dass sie deren Weg kreuzten. Nun wurde es offenbar, dass sie sich mit Absicht um Pio Navale scharten. Allerdings sprach keiner ein Wort, um sich zu erklären. Die Blicke der Mönche blieben ausdruckslos. Jetzt erst erkannte Alaïs, dass sie breite Gürtel unter den weißen Gewändern trugen und dass daran schwere Schwerter hingen. Sie wich zurück, presste sich schutzsuchend an den Juden.
»Was wollen sie von uns?«
Doch der sonst so gesprächige Simeon blieb stumm.
»Pio Navale!«, schallte plötzlich der Ruf durch die Luft.
Der Florentiner setzte ein Lächeln auf, das Alaïs verkrampft deuchte.
»Der bin ich!«, erklärte er höflich. »Ich nehme an, Ihr kommt vom Infanten, und dieser hat …«
Der Mann, der seinen Namen gerufen hatte, begann zu sprechen. In einer für Alaïs unverständlichen Sprache redete er auf Pio Navale ein, der prompt die Stirn runzelte – vielleicht, weil er sich auf die ungewohnten Laute konzentrieren musste, vielleicht, weil er sie mühelos verstand, ihn aber ihr Inhalt befremdete.
»Was sagen sie?«, fragte Alaïs, als sich immer mehr Sätze aneinanderreihten und die Männer nun obendrein begannen, durcheinander zu sprechen. Pio Navale warf ein Wort ein, dann noch eines, doch der Kreis der Pferde wurde immer dichter. Selbst Aurel, der bislang gleichmütig über die Störung hinweggesehen hatte, geriet zunehmend aus der Fassung.
Die Menschen im Hafen hatten die Reiter bemerkt, steckten tuschelnd die Köpfe zusammen und deuteten auf sie.
Endlich fand Simeon die Sprache wieder. »Wenn ich es recht verstehe, sind sie vom Infanten Felip gesandt«, murmelte er Alaïs zu.
»Vom Infanten Felip?«, fragte sie verständnislos.
Eben hob einer der Mönche die Hand und deutete in Richtung Norden.
»Wie es aussieht, müssen wir sie begleiten«, sagte Pio Navale. Täuschte sich Alaïs oder war sein Gesicht blasser geworden?
Abrupt sprangen zwei der Soldatenmönche vom Pferd und nahmen neben ihnen Aufstellung, als gelte es, einen möglichen Fluchtversuch zu vereiteln.
Wieder versuchte Pio Navale zu lächeln, und wieder geriet es verkrampft. Er sagte etwas auf die Weisung des Mannes hin, und auch wenn Alaïs es nicht Wort für Wort verstand, so vermeinte sie herauszuhören, dass von einer Einladung die Rede war und dass er dieser gerne folgen würde. Erneut fiel der Name des Infanten Felip. Dann wurde ihr Grüppchen in eine bestimmte Richtung getrieben.
»Sie können uns doch nicht einfach festnehmen!«, rief Alaïs.Was immer Navale von einer Einladung schwafeln mochte, sie hatte nicht den Eindruck, dass es eine solche war, die die Soldatenmönche aussprachen. Hilfesuchend sah sie sich um, doch der Blick auf dem Hafen war von den streng riechenden Pferdeleibern verstellt.
Simeon hielt seine Augen starr auf den Boden gerichtet. »Wenn das nur gut geht …«, sagte er ein ums andere Mal. »Wenn das nur gut geht …«
Sie wurden von den Männern durch enge Gassen geführt. Manche waren aus Erde gestampft, andere besaßen Pflastersteine, in deren Ritzen Unrat wucherte. Zunächst war der Weg flach,
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