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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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sie.
    Das soll ich dir also sein?, wollte sie schreien. Eine willfährige Dienstmagd, die dir abnimmt, was dir lästig ist? Die für dein täglich Brot sorgen soll, ähnlich wie die Zicklein, die sich Sancho wünschte? Und wie kannst du vergessen haben, dass nicht ich, sondern dein Bruder es war, der stets für dein leibliches Wohl gesorgt hat? Wie kann man nur so gleichgültig sein und so undankbar?
    Emy war für dich da, Emy war für uns beide da, immer und immer wieder, ganz gleich, was geschehen ist, ganz gleich, was wir angerichtet haben.
    Doch nichts dergleichen konnte sie sagen. Ganz andere Worte brachen sich Bahn – heiser und gerade darum so verbittert.
    »So wie früher?«, zischte sie. »So wie früher? Als du dem Papst begegnet bist, war es dir gleich, was aus mir wurde! In einer Bäckerei habe ich schuften müssen, während es dir um nichts anderes ging, als deine Ziele zu erreichen. Geschwängert hast du mich, aus schlechter Laune heraus! Und hinterher zählten nicht mein Wohl und das des Kindes, sondern nur, wie du am besten nach Bologna kamst. War ich dir jemals etwas wert? Bin ich dir heute etwas wert? Hast du auch nur einmal darüber nachgedacht, was ich will?«
    Er hatte ihre Worte mit gesenktem Kopf über sich ergehen lassen. Doch es war nicht Scham, die ihm verbot, ihrem Blick standzuhalten. Stattdessen prüfte er, ob der Boden hart genug war, um mit dem Holzbein aufzutreten. Sämtliche Muskeln waren angespannt, als er einen ersten vorsichtigen Schritt wagte. Das Gebilde hielt – und das machte sie noch wütender. Dass er vermeintlich gehen konnte, deuchte sie als die größte Beleidigung und Zumutung. Dass jenes Tun, das zu ihrer Missachtung geführt hatte, auch noch mit Erfolg gekrönt wurde!
    Wie kann er damit durchkommen?, fragte sie sich.
    Mit einem Aufschrei stürzte sie auf ihn zu, schlug auf seine Brust und rüttelte an seinen Schultern. So unvermittelt kam ihr Angriff, dass er ihm nichts entgegensetzte – nur einen überraschten Blick. Im nächsten Augenblick wankte er schon. Das Holzbein brach unter ihm weg, und er fiel direkt auf sie. Sämtliche seiner spitzen Knochen bohrten sich in ihren Leib, als sie auf den Boden krachten, sich dort um die eigene Achse drehten. Reglos blieb er auf ihr liegen, indessen sie immer noch auf seinen Körper einschlug, ihn kniff, ihn biss, an seinen Haaren zerrte, so lange, bis sie zu erschöpft dazu war – und zu wenig Luft dazu bekam. Schwerfällig rollte er von ihr, blieb kurz hilflos wie ein Käfer liegen, ehe er sich mit den Händen aufstützte und nach seinem Holzbein Ausschau hielt. Wie sie den Sturz überstanden hatte und ob sie sich weh getan hatte, war ihm gleich.
    Obwohl von ihm befreit, konnte sie seinen Körper noch fühlen, diesen dünnen, zähen, einbeinigen Leib. Sie würgte vor Ekel und Enttäuschung – und vor Sehnsucht nach Sanchos Lebendigkeit.
    »Nichts …«, ihre Stimme war nicht lauter als ein Hauch, »nichts hat sich geändert.«
    Er antwortete nicht, war bis zu dem Holzbein gekrochen, kämpfte sich nun zurück zum Schatten des Baumes, um es dort weiter zu bearbeiten, die Technik zu verfeinern.
    Händeringend blickte Alaïs sich um. Wohin sollte sie? Wohin konnte sie noch? Wohin zog es sie überhaupt?
    Gab es einen Weg zurück zum Schiff, zurück zu Sancho? Nein, unmöglich war dies Unterfangen, und wäre es auch nicht unmöglich gewesen, so würde es ihr nichts anderes bringen als die Horde Kinder, die sie nicht wollte. Es hatte einen guten Grund gegeben, warum sie Sanchos Werben ausgeschlagen hatte, und jener Grund hatte nicht allein mit Aurel zu tun, auch wenn sie nun vermeinte, sie würde im Hass auf ihn ersticken.
    Als sie auf den Boden stampfte, blickte er endlich hoch. »Alaïs, warum zürnst du mir?«
    »Weil du mich belogen hast!«, schrie sie und stampfte wieder auf. »Weil du mich in die Irre geführt hast! Für dich gibt es nur zweierlei Arten von Menschen, die dich interessieren: die Kranken, die du behandelst, und die Lakaien, die dir helfen. Ich wollte nicht deine Frau sein, aber deine Gefährtin. Die du achtest, die du brauchst … die du siehst. Und ich dachte mir in den letzten Tagen, du würdest mich sehen. Aber du siehst mich nur, wenn ich dir nützlich bin. Ich hätte alle Kranken dieser Welt in Kauf genommen, wenn du mir nur die Freiheit geschenkt hättest. Aber du kannst nichts schenken und nichts geben – weil du alles, was du schenken oder geben könntest, an dich selbst verschwendest.«
    Verwirrung

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