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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Offenbar hatte er in den letzten Stunden getrunken, mehr noch als am Abend zuvor, da sie Louises vermeintlich geglückte Geburt gefeiert hatten.
    Alaïs schnaubte. Kurz war sie geneigt, ihn einfach stehenzulassen und seine Frechheit, hier aufzutauchen, mit Missachtung zu strafen. Was sie davon abhielt, war nicht sein flehentlicher Blick, sondern die Aussicht, sich ansonsten ohnehin nur schlaflos hin – und herzuwälzen.
    »Du machst mich lächerlich«, wiederholte er. Er konnte sich nicht aufrecht halten, krachte förmlich gegen die Hauswand, die augenblicklich knarzte. Zumindest sackte er nicht auf die Knie, sondern hielt sich auf den Beinen.
    »So, so«, knurrte sie. »Ich mache dich also lächerlich? Etwa, weil du dich betrinkst? Und weil du zu dieser Zeit hierher kommst? Kein anständiger Mensch würde das tun!«
    »Régine findet auch …«, setzte er weinerlich an.
    »Tust du nichts ohne den Rat deiner Schwester?«, fragte sie unwirsch. »Nun ja«, setzte sie hinzu, »betrunken hast du dich gewiss ohne ihre Zustimmung.«
    »Régine findet auch, du solltest freundlicher zu mir sein«, fuhr er fort. »Welchen Mann kannst du denn kriegen, wenn nicht mich?«
    Alaïs maß ihn streng und wusste doch nichts Rechtes zu entgegnen. Gerne hätte sie ihm widersprochen, aber insgeheim ahnte sie, dass nicht nur Régine, sondern auch ihre Eltern so dachten. Die Menschen von Saint – Marthe heirateten unter sich, und wenn es wenig Gleichaltrige gab, war die Auswahl knapp. Man konnte auf die Söhne in den Nachbardörfern spähen – doch Alaïs war sich sicher, dass die dortigen Fischer Josse bis aufs Haar glichen.
    »Welchen Mann sollst du denn kriegen, wenn nicht mich?«, wiederholte er.
    Dass er diesen Trumpf ein zweites Mal auszuspielen wagte, machte sie wütend. »Das ist es also, was du mir zu bieten hast?«, rief sie schrill, nicht nur über ihn erbost, sondern auch über das einfallslose Geschick, das nichts anderes für sie aufzubieten hatte als einen Glupschäugigen. »Damit suchst du um mich zu werben? Dass es dich zufällig gibt und dass du ebenso zufällig der Einzige im rechten Alter bist? Das ist nicht viel. Das ist sogar jämmerlich wenig.«
    »Ich bin ein guter Mann«, trotzte er. »Ich kann arbeiten, ich kann dich ernähren.« Er machte eine kurze Pause. »Dich und die Kinder«, fügte er hinzu.
    Nichts Verheißungsvolles stieg vor ihr auf, nur der Anblick von Louises Bälgern, hungrig, verrotzt und dreckig. Vor allem aber sah sie Louise selbst vor sich, wie sie sich quälte, wie sie schließlich in ihrer eigenen Blutlache zu ersaufen schien.
    »Hau ab, Josse!«, zischte sie. »Geh und schlaf deinen Rausch aus.«
    »Régine sagt auch …«
    »Deine Schwester würde einen Eimer kaltes Wasser über deinen Schädel kippen, wenn sie dich so sähe, das ist alles.«
    Josse schwankte. Der Gedanke an Régines Strafe stimmte ihn ängstlich.
    »Sag ihr nichts!«, flehte er, und der bibbernde Tonfall erboste sie noch mehr als der trotzige.
    »Hau ab!«, zischte sie wieder.
    Er entfernte sich unendlich langsam, musste sich an derHauswand entlangtasten, um den Weg zu finden. Ein paar Mal plumpste er dagegen, und Alaïs hatte Angst, dass er ihre Eltern wecken würde. Dann war er endlich um die Ecke gewankt. Vielleicht würde er von dort aus nach Hause gelangen, vielleicht aber auch auf den Boden sinken, um sich zu übergeben und bis zum Morgengrauen liegen zu bleiben.
    Auch als nichts mehr von ihm zu sehen war, konnte sich Alaïs nicht von der Stelle rühren. Sie zitterte – vor Kälte, vor Wut, vor Trostlosigkeit. Josse war nicht zum ersten Mal aufdringlich geworden, doch bislang war es ein Spiel gewesen, ihn loszuwerden – wenn auch ein lästiges. Doch irgendwann würde sie ihn nicht länger abschütteln können. Irgendwann würde selbst ihr Vater, der nicht minder spöttisch auf ihn herabsah als sie selbst und der den Gedanken an eine Heirat in die Zukunft schob, feststellen, dass die Tochter versorgt sein musste.
    Alaïs krallte ihre Hände förmlich ineinander. Der Schmerz, den die eigenen Nägel ihr verursachten, beruhigte sie ein wenig. Nun war sie bereit, wieder nach oben in ihre Kammer zu steigen, doch als sie sich umwandte, fiel ihr Blick auf die Scheune, in der der fremde
Cyrurgicus
und sein Bruder schliefen. Das zumindest hatte sie bis eben geglaubt.
    Nun stellte sie fest, dass durch die Ritzen Licht nach außen floss, viel zu stark, viel zu gelblich, um ein Widerschein des fahlen Himmels zu sein. Was immer

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