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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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zuwider, sondern unterstützte ihn. Nicht nur, dass er ihm schweigend mit den Lederbeuteln zur Seite stand, obendrein begann er nun für ihn zu sprechen, viel werbender und eindringlicher, als es sein gleichmütiges, stilles Wesen verhieß. »Mein Bruder hilft euch nicht nur, wenn ihr an Krämpfen leidet. Im letzten Dorf hat er drei üble Abszesse und Furunkel geheilt. Die blutig roten und heißen hat er aufgeschnitten, die kalten, die nur blassrosa verfärbt sind, mit einem Pflaster aus Gerstenmehl und dicken Bohnen, Wicke und etwas Lauge behandelt.«
    So viele Worte auf einmal hatte Alaïs ihn bislang nicht reden hören, und doch war sie sich gewiss, dass er eine solche Rede nicht zum ersten Mal anstimmte.
    Zwei der Fischer stießen sich unbeholfen an, als wüsste der eine vom Leiden des anderen, wollte aber jeweils nicht der Erste sein, es vor der Menge preiszugeben.
    »Pah!«, kam ihnen Régine zuvor. »Wicken und dicke Bohnen! Jeder weiß doch, welche Salbe vonnöten ist, um Furunkel zu heilen – da brauche ich keinen
Cyrurgicusl«
Sie sprach das Wort aus, als wollte sie es auf den Boden speien.
    Régine machte eine verheißungsvolle Pause und fuhr selbstsicher fort: »Es bedarf nur Butter, der Milch einer weißen und einer roten Kuh, und beides muss mit einem Stab gerührt werden, der den Namen von einem der vier Evangelisten trägt.«
    Selbst Caterina, im Misstrauen gegenüber Aurel mit Régine geeint, hielt derlei wichtigtuerische Worte wohl für dummes Geschwätz, denn sie verzog abschätzig die Stirn. Aurel tat es ihr gleich, und der glühende Blick seiner braunen Augen wurde kurz kalt und verächtlich. Ehe er etwas entgegnen konnte, stellte sich sein Bruder jedoch beschwichtigend vor ihn.
    »Furunkel aufzuschneiden ist noch die leichteste übung für meinen Bruder!«, erklärte er hastig und wechselte hernach erneut in jenen werbenden Tonfall, der nichts mit seiner üblichen Trägheit gemein hatte. »Im letzten Dorf hat sich ein Zimmermann die Hand gebrochen. Mein Bruder hat den Bruch eingerichtet und geschient, nicht nur mit einer Armlade, sondern mit einem Verband, der in Harze und Eiklar getränkt war. Bei falscher Behandlung wäre jener Unglückliche ein Krüppel geworden und hätte nie wieder seinem Tagwerk nachgehen können. So aber wuchsen die Knochen an der rechten Stelle zusammen, und wenn man ihn heute arbeiten sieht, so erkennt man keine Spur des alten Leidens.«
    Nachdenklich begann Alaïs, auf ihren Lippen zu kauen. Was hatten sie wohl so lange in jenem Dorf gemacht, bis der Arm geheilt war? Und hieß es nicht, sie wären von Montpellier gekommen?
    Die anderen Dorfbewohner hingegen nickten anerkennend. Mochte Régine augenblicklich auch lästern, er habe sich diese
    Geschichte gewiss nur ausgedacht, so eilten die Gedanken vieler wohl zum armen Pau, der sich im vergangenen Jahr das Bein gebrochen hatte, als er sein Dach decken wollte, und der seitdem unter argen Schmerzen humpelte.
    Raunend wurde mehrfach sein Name wiederholt, bis er schließlich auch an Aureis Ohren drang. »Glaubt nicht, ich könnte nicht auch alte Leiden lindern! Ich könnte das Bein erneut brechen und dann dafür sorgen, dass es an der rechten Stelle wieder zusammenwächst!«
    Die Menge raunte erneut – diesmal nicht respektvoll, sondern befremdet. Ein steifes oder lahmes Bein mochte schlimme Unbill mit sich bringen, vor allem für einen Fischer, der im engen Boot wendig sein musste, aber war es dem Menschen gestattet, in Gottes Werk so dreist einzugreifen und einen Knochen selbst zu brechen?
    Doch ehe Régine das Misstrauen anheizen konnte, schien Aurel zu merken, dass er einen Schritt zu weit gegangen war. Schon wechselte er das Thema.
    »Ich kann euch auch helfen, wenn ihr Wunden habt, die nicht zusammenwachsen wollen und stets aufs Neue bluten und eitern. Mit Roger Frugardis Vierkant – Nadel kann ich sie nähen, und falls ihr Angst vor Schmerzen habt, wüsste ich noch eine andere Möglichkeit, sie zu behandeln.«
    Er gab sich geheimnisvoll, wartete, bis er sämtliche Aufmerksamkeit hatte und aus dem Gemurre ein gespanntes Schweigen geworden war.
    »Oft reicht es, beiderseits des Wundspalts Tuchstreifen aufzukleben und lediglich diese aneinanderzunähen, nicht die empfindliche Haut.«
    Rasch gab er seinem Bruder ein Zeichen, und jener öffnete den Lederbeutel, offenbar um ihnen das, was Aurel verhieß, auch vorzuführen. Ehe jedoch Emy entsprechende Verbände ans Tageslicht beförderte, ehe die alte Bethilie etwas

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