Die Gefährtin des Medicus
sagen konnte, der plötzlich eingefallen war, dass sie nicht nur an Schmerzen im Arm litt, sondern auch an üblen Krampfadern, verstummten plötzlich sämtliche Dorfbewohner, senkten den Blick und scharrten betroffen mit den Füßen im Sand.
Aläis fühlte den Griff der Mutter, mit dem diese sie beiseitezog. Unwillig wollte sie sich daraus befreien – und folgte ihr dann doch nur allzu gerne, als sie Frère Lazaire gewahrte, der auf dem Dorfplatz erschienen war. Erdbrocken, die an dem braunen Kittel klebten, kündeten davon, dass er bis eben noch am frischen Grab Louises gebetet hatte: Offenbar hatte man ihm bereits zugetragen, dass Aurel den Menschen von Saint – Marthe seine Dienste anbot, denn der Blick, der über sie glitt, war nicht forschend, sondern streng.
»Ihr vertraut euch einem Medicus an? Gar einem
Cyrurgicus?«,
fragte er entsetzt, als sei dies ein nicht minder schlimmes Vergehen als zu Lautenmusik zu tanzen. Missfällig schüttelte er den Kopf. »Was müsst ihr allesamt ungläubige Sünder sein!«, setzte er hinzu.
Régine nickte befriedigt. Bethilie, die sich eben noch mit ihren Leiden hervorgetan hatte, schlug ein Kreuzzeichen. Halbherzig fiel es aus und bekundete doch, dass sie im Zweifelsfall nicht auf der falschen Seite stehen wollte.
»Wenn ihr an üblen Krankheiten leidet«, hob Frère Lazaire an, »so kommt’s, weil ihr zu wenig gebetet habt. Niemand braucht einen Arzt, weiß er die Heiligen hilfreich an seiner Seite stehen.«
Obwohl er nicht näher herantrat, wichen alle zurück. Auch Alaïs suchte genügend Abstand zwischen sich und den Mönch zu bringen, gleichwohl sie sich unwillig fragte, woher jener die Macht nahm, so viel Unbehagen einzuflößen. Seine Strenge entlud sich nicht donnernd, sondern verkniffen, seine Frömmigkeit deuchte sie nicht leidenschaftlich, sondern mürrisch.
Und auch als er nun die Kraft der Fürbitte vieler Heiliger beschwor, klang es ein wenig, als wollte er sich den ärger über die schmerzenden Knie von der Seele reden, weil er so lange vor Louises Grab hatte ausharren müssen.
»Habt ihr Magenschmerzen, dann wendet euch an den heiligen Erasmus, dem einst mit einer Seilwinde die Gedärme aus demLeib gerissen wurden. Sucht Hilfe beim heiligen Dionysius, der geköpft worden ist, wenn ihr an Hauptweh leidet.«
Aurel selbst schien den Mönch zunächst gar nicht zu bemerken, richtete sich dann aber auf und schritt ohne Scheu auf ihn zu. Sein Leib war nicht viel kräftiger als der des Franziskaners, aber größer. »Nennt Ihr die Menschen hier alle Sünder, was muss dann erst die arme Louise verbrochen haben, wenn die heilige Margaretha, die doch den Gebärenden beisteht, sie sterben ließ?«
Wieder brandete ein Raunen auf. Die einen waren entsetzt, weil Aurel dem Mönch widersprach, die anderen ob der Vorstellung, Louise sei eine Sünderin gewesen. Was hatte sie schon anderes getan, als einen schweigsamen Mann zu ertragen und ein Rudel nichtsnutziger Kinder zu gebären? Allerdings – und nach Aureis Worten schlugen nun einige der Umstehenden ein Kreuzzeichen, nicht nur die verschlagene Bethilie –, der Teufel wütete oft im Geheimen. Gott der Allmächtige konnte in jedes Herz schauen, und wer mochte schon mit Sicherheit sagen, ob er in Louises nicht Abgründe entdeckt hatte, die seinem Gericht nicht standhalten würden?
»Die heilige Margaretha hätte sie gewiss retten können«, erklärte Frère Lazaire, »wenn Ihr sie nicht aufgeschnitten hättet!«
»Wenn ich es nicht getan hätte, dann wäre auch ihr Kind zu betrauern. So aber habe ich Euch immerhin einen Gefallen getan: Ihr könnt es nun taufen und vor dem Limbus bewahren, wohin alle ungetauften Kinder kommen und der Anschauung Gottes verlustig gehen, nicht wahr?«
Aureis Mundwinkel zuckten – Alaïs war sich nicht sicher, ob erregt oder spöttisch. In Frère Lazaires Gesicht zuckte es auch, allerdings waren es nur seine Augenlider. Er hatte Mühe, Aureis Blick standzuhalten.
»Ganz gleich, was Ihr vermögt!«, zischte er. »Das Heilige Konzil, das im Lateran abgehalten worden ist, legt fest, dass kein Medicus die Behandlung aufnehmen darf, ehe dem Kranken die Beichte abgenommen wurde. Und danach … danach haben alle zusammen, der Kranke, der Priester und der Medicus, zu denHeiligen zu beten. Nichts dergleichen habt ihr den armen Menschen hier angeraten!«
Aurel zuckte die Schultern. »Ihr könnt das Versäumnis gerne wettmachen. Wenn Ihr beten wollt, dann tut es.«
»Bin ich Euer
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