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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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seufzte.
    »Wirklich, du musst …«
    Wieder brach sie ab. Hinter ihr war die Tür zugefallen. Emy musste dort schon eine Weile gestanden und stumm das Geschehen verfolgt haben. Ohne ihr Haar zurückzuschütteln, lief Raymonda blind auf ihn zu und stürzte sich in seine Arme.
    Immer noch schweigend nahm er sie hoch. Alaïs richtete sich auf. Sie fühlte sich müde, ausgelaugt, schmutzig.
    »Danke«, murmelte sie, »danke, dass du mir geholfen hast.«
    Emy barg Raymondas Kopf auf seiner Brust. »Das war selbstverständlich«, gab er leise zurück. »Du hagt es sehr gut gemacht.«
    Trotz des Lobes klang seine Stimme gleichgültig. Sie hob den Kopf, suchte seinen Blick. Wenn er doch nur ein wenig lächeln würde. Wenn er sie doch nur sehen würde.
    Einst war es ihr um Aureis Blick gegangen, und vielleicht hatte sie diesen ebenso sehnsüchtig, hoffnungsvoll und gierig erwartet wie jetzt den von Emy. Doch war die Enttäuschung ähnlich bitter gewesen, als er ihn ihr verweigerte?
    Emy sah an ihr vorbei, Raymonda hingegen nicht. Sie schüttelte die Haare aus dem Gesicht und starrte die Mutter – nun sicher auf des Vaters Arm – an. Verächtlich, herausfordernd, wie es Alaïs schien, und überaus stolz.
    Alaïs fühlte, wie sie errötete.
    Er könnte mir vielleicht verzeihen, dachte sie, aber sie – niemals.
    Stolz wuchs in ihr. Stolz auf den Mann, den sie immer als ein wenig sonderbar empfunden hatte, Stolz auf das Kind, das ihr immer lästig gewesen war. In der vereinten Verachtung für sie bewiesen sie, dass sie Rückgrat hatten. Und sie konnte sich nicht helfen: Gleichwohl es diese Verachtung war, die ihr die nächsten Jahre vergällen sollte, sie Tag für Tag in einen neuen, niemals zu gewinnenden Kampf schickte und ihr das Siegel der Ausgestoßenen einprägte, bewunderte, achtete und mochte Alaïs die beiden dafür.

Siebter Teil
     
     
Pest
     
Frühjahr 1348

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XXXVII. Kapitel
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    Der Tag war sonnig, das Meer friedlich – und die Stimme störend.
    Alaïs seufzte, als sie die Ruhe durchbrach, und dachte kurz daran, sie einfach zu überhören. Freilich würde sie die andere damit nicht zum Schweigen bringen. Sie würde immer wieder ihren Namen rufen, bis sie darauf antwortete.
    »Alaïs!«
    Es war Dulceta, die so unangenehm plärrte.
    Schicksalsergeben erhob sich Alaïs von dem Stein, von dem aus sie in die Bucht gestarrt hatte. Früher hätte sie nicht für möglich gehalten, daraus Kraft zu ziehen – aus dem Stillsitzen und dem stets gleichen Ausblick auf das Meer. Doch wenn ihre Kräfte auch schleichend geschwunden waren – keine plötzliche Krankheit hatte dazu geführt, sondern die vielen schweren Winter, die zurücklagen –, so empfand sie die Langsamkeit, die das Alter dem Menschen befiehlt, nicht länger als Zumutung, sondern als Labsal. Die Aussicht auf das Meer hatte früher oft schmerzvolle Erinnerungen an erlebte und verlorene Freiheit heraufbeschworen. Jetzt hingegen, da ihre Knochen steifer, ihr Haar grauer und ihre Haut schlaffer geworden war, waren ihr die Erinnerungen ohnehin zu anstrengend. Sie schob sie fort, anstatt sich ihnen hinzugeben, und genoss die frische Brise.
    »Alaïs!«
    Wieder seufzte sie, quälte sich aber ein Lächeln ab, als sie sich der Frau zuwandte, die schnaufend auf sie zugewatschelt kam. Dulceta war immer schon rundlich gewesen, doch mit den Jahrenwar ihre Leibesfülle nach unten gerutscht, sodass ein wogender Berg aus Fett und Fleisch nicht den Bauch, jedoch die Hüften umspielte.
    »Ich habe Brot gebacken, du magst doch einen Laib?«, fragte sie.
    Eben noch hatte Alaïs überlegt, wie sie Dulceta am schnellsten loswerden könnte. Der Gedanke an das weiche, saftige Brot, das nur jemand zustande brachte, der mit ebenso großer Lust aß wie er buk, ließ sie jedoch zögern. In den letzten Jahren hatte sie zu oft gehungert, als dass sie nun ein solch großzügiges Geschenk ausgeschlagen hätte.
    »Gerne«, bekundete sie knapp.
    In Dulcetas Augen blitzte es ebenso stolz wie überheblich auf. Seit Alaïs seinerzeit ihrem Mann das Leben gerettet hatte, war niemals wieder ein verächtliches Wort über Dulcetas Lippen gekommen. Im Gegenteil: Wer Alaïs den Respekt verweigerte, den ließ sie unerbittlich wissen, was man den kundigen Händen der Chirurgin zu verdanken hatte. Nicht nur, dass sie Pierres zerfetzten Bauch zusammengeflickt hatten. über die Jahre hatte sie manch gebrochene Hand wieder eingerichtet, manch ausgerenkte Schulter oder manch verletzten Fuß. Sie hatte

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