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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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überprüfen wollen, fluchte und beugte sich noch tiefer. Ihm entging, dass der Wagen, der bereits schräg lag, auf dem trockenen Boden noch weiterrutschte und gefährlich nahe an den Abhang herankam.
    Alaïs hielt vor Schreck die Luft an, als sie das Unglück kommen sah.
    »Gebt acht!«, schrie Emy, geistesgegenwärtiger als sie.
    Es war zu spät. Mit einem Ruck rutschte der Wagen über die Böschung und traf dabei den Mann. Noch suchte er sich gegen das Gewicht zu stemmen – und vermochte die Wucht doch nicht zu mindern. Er schwankte, fiel, glitt auf der Böschung aus – und auf ihn prallte, all seine Last verlierend, der Wagen. Dieser stand erst wieder still, als der Mann ohnmächtig inmitten des zerborstenen Holzes im Wasser des Flusses lag, aus dem Alaïs und Emy eben noch hatten Fisch fangen wollen.
     
    Alaïs und Emy waren als Erste bei dem Mann. Er lag mit dem Gesicht nach unten, und als sie ihn ans Ufer zerrten und auf den Rücken wälzten, waren sie sich sicher, er wäre tot. Als Emy sich freilich über seinen Mund beugte, erklärte er, ihn atmen zu hören.
    »Nicht mehr lange«, meinte Alaïs jedoch und deutete auf den Kopf des Mannes. Mochten sich die Lebensgeister noch an ihn klammern, bald würden sie doch von der Macht des Todes verjagt. Eine riesige Wunde klaffte auf seinem Hinterkopf, legte den weißen Knochen frei, und aus jenem ragten Splitter des Wagens.
    Emy wich unwillkürlich zurück, doch in diesem Augenblick war Aurel zur Stelle. So schnell war er das Flussbett heruntergehetzt, dass er dabei gestürzt war. Erde und Gras klebten an seinen Knien und Händen, und noch während er sie im klaren Wasser des Flusses wusch, bellte er Anordnungen. »Meine Instrumente, Emy, schnell! Und du Alaïs, sieh zu, dass du denKopf ruhig hältst. Wir müssen ein Stück Holz finden, auf das wir ihn legen können.«
    Emy stand auf und gehorchte ohne zu zögern. Alaïs hingegen rührte den Mann nicht an.
    »Aurel … er ist so gut wie tot. Sein Kopf ist zertrümmert.«
    »Na und?«, schnaubte er grimmig.
    Widerworte lagen ihr auf den Lippen, doch dann sah Alaïs, wie von oben her Männer des Kaufmannszuges zusammenströmten und einen Kreis um den Verletzten bildeten. Nicht alle waren vom Mitleid getrieben. Einer stürzte auf den zerborstenen Wagen, der halb im Wasser lag, und versuchte unter lautem Schreien herauszuziehen, was dort an kostbarer Fracht vergraben lag, ehe der Fluss es raubte.
    »Na, mach schon!«, rief Aurel, und endlich bückte sich Alaïs. Sie wollte sich vor den neugierigen Augen der Fremden nicht die Blöße geben, mit ihm zu streiten.
    In diesem Augenblick ging ein Ruck durch den Verletzten. Nun hörte auch sie ihn atmen und noch mehr: Er würgte, schien sich erbrechen zu müssen, doch heraus kam nichts als ein fadendünner, gelblicher Schleim.
    »Schnell!«, schrie Aurel. »Dreh ihn auf die Seite.«
    Noch ehe sie zupacken konnte, kam er ihr zuvor.
    »Er erbricht sich, ohne etwas gegessen zu haben«, sinnierte er. »Das ist ein schlechtes Zeichen.«
    Es hielt ihn jedoch nicht davon ab, tastend den Kopf zu untersuchen. An verschiedenen Stellen klopfte er auf die Knochen des Hauptes und achtete genau auf die Geräusche.
    »Still!«, schrie er jenem Mann zu, der immer noch unter lautstarkem Fluchen beschäftigt war, die Ware zu retten. überrascht hob der den Kopf. Doch es war ein anderer, der rüde fragte, was Aurel da täte.
    »Ich bin
Cyrurgicus.
Wenn dieser Mann hier überleben soll, dann nur durch meine Hand.«
    Wieder klopfte er gegen den Kopf – der Laut klang schwerfällig und matt.
    »Komm!«, sagte er zu Alaïs. »Halt ihm den Mund zu!«
    Sie verbiss sich die Frage, welchem Zweck dies diente, denn sie wollte nicht ähnlich dümmlich erscheinen wie die glotzenden Zuschauer. Keiner von ihnen wagte einzuschreiten und Aurel an seinem Tun zu hindern, doch in den meisten Gesichtern breiteten sich Ungläubigkeit und schließlich Misstrauen aus.
    Aurel achtete nicht darauf, sondern senkte sein Gesicht ganz dicht über den Kopf des Verletzten. »Siehst du«, erklärte er schließlich. »Die Luft beim Ausatmen bläht nicht die Wangen auf, was heißt, dass sie durch den Schädel entweicht. Und das wiederum bedeutet, es ist eine Fraktur. Noch besser könnte ich es belegen, hätte ich Tinte, um sie auf die Knochen zu schütten. Dadurch würde der Bruch sichtbar. Worauf es jetzt ankommt, ist, die Splitter zu beseitigen und den Knochen wieder einzurichten.«
    Kurz schlich sich ein Zögern in sein

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