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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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jede Person als ganz besonderes Individuum. Auch das hat Henri de Mondeville geschrieben. Ich habe das nicht bedacht – aber du, du hast genau gewusst, was zu tun war!«
    Er lachte auf – jener Laut, der ihm häufig entfuhr, wenn er eine grundlegende Entdeckung machte. Noch nie hatte er sie derart begeistert angestrahlt, noch nie ihren Leib so fest an sich gedrückt.
    Verwirrt zuckte Alaïs zurück, doch er bemerkte es gar nicht. »Du wirst mir künftig eine große Hilfe sein! Wenn dir gelungen ist, diesen Knaben zu beschwichtigen, so wirst du ebenso gut mit allen anderen ängstlichen Menschen umgehen können, nicht wahr? Du wirst sie beruhigen, du wirst ihnen alles erklären. Und du wirst dafür sorgen, dass sie mir vertrauen.«
    Sein Lächeln war so mitreißend, dass sie schließlich gar nicht anders konnte, als es zu erwidern. Ebenso wenig konnte sie verhindern, dass sich das heftig ersehnte, so lange ausgebliebene Lob über sämtlichen Argwohn und Ärger der letzten Tage legte, ebenso süß und ebenso klebrig wie Honig.
    Ihre Wangen glühten rot vor Stolz. Erst als sie auf das verheulte Gesicht des kranken Jungen blickte, fragte sie sich, ob Aureis Lob es wert war, künftig freundlich zu diesen Bälgern zu sein.
    Die Vorstellung, ihn neuerlich zu streicheln, widerte sie an. Es war ihr unbegreiflich, mit welcher Hingabe sie ihn eben noch getröstet hatte.

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X. Kapitel
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    Noch enger arbeitete sie fortan an Aureis Seite, auch weiterhin nicht gewiss, ob ihr das zum Vorteil gereichte, aber davon bestochen, dass sie zumindest einmal seine Aufmerksamkeit gewonnen hatte. Nun reichte sie ihm nicht nur Verbände und Salben, Nadeln und Tinkturen, sondern sprach vor der Behandlung mit den Menschen, erklärte ihnen, was geschehen würde, ermutigte und tröstete sie – und handelte nicht selten den Preis aus.
    Von allem machte ihr das am meisten Spaß. Emy hatte sich bislang darum gekümmert, und er war bewährt genug darin, auf dass sie neue Medizin und ausreichend Essen kaufen und sich dann und wann eine Nachtunterkunft leisten konnten. Doch sie – und das bereitete ihr große Genugtuung – erwies sich als besser, nämlich unerbittlicher in den Forderungen. Wenn in ihr stiller ärger auf Aurel hochstieg, wurde sie ihn häufig los, indem sie mit der zeternden Stimme eines Marktweibes mit einem störrischen Kranken feilschte. Noch leichter kam ihr das über die Lippen, als Trost zu spenden.
    Emy indes wurde zunehmend träge. Immer öfter kam es vor, dass er weit hinter ihnen zurückblieb. Auf Wiesen und Weiden blieb er hocken, hielt sein Gesicht in die Sonne oder suchte, als die Strahlen immer beißender wurden, Labsal im Schatten von Bäumen.
    Dass er so Nebensächliches wie einen milden Windhauch genießen konnte, befremdete Alaïs weiterhin, ebenso wie seine Weigerung, sich zu beeilen. Ein wenig besser verstand sie beiderlei Trachten jedoch, als die Sommerhitze immer gnadenloserdas Land verbrannte, aus vormals frischen, grünen Wiesen braun verdorrte machte und sämtliche Farben der Blüten und Knospen mit einem unerträglich gleißenden Licht verschluckte.
    Schon zeitig am Tag schien die Sonne förmlich zu zerfließen, als würde sie nach der weiten Reise, die sie morgens im Osten angetreten hatte, unerträglich schwitzen. Abends blutete sie nicht minder als Alaïs’ Fersen, für die das lange Gehen immer mühseliger wurde. Irgendwo still zu sitzen, ward Labsal, am Abend einzuschlafen wie ein Stein, war ein Genuss.
    Auch Aurel, nicht minder zäh als sie und stets bereit, den eigenen Körper zu knechten, zollte der Hitze schließlich Tribut und schlug eines Vormittags freiwillig eine Rast vor, die mindestens bis zum nächsten Tag dauern sollte.
    Sie waren in der Nähe der Sorgue, deren Ufer sumpfig und dicht begrast waren, und Alaïs erinnerte sich an die Worte ihres Vaters, wonach man hier nicht nur Flusskrebse einsammeln, sondern auch die besten Saiblinge und Forellen des Landes fangen konnte. Gleichwohl er ein Fischer des Meeres war, hatte er lange vor ihrer Geburt hier mit bloßen Händen Fische gefangen – in Begleitung der älteren Brüder von Alaïs, die damals noch Kinder waren. Raimon war es nicht gelungen, die Fische ganz ohne Netz und Angel zu packen, doch Felipe hatte sich geschickter angestellt und noch Jahre später mit seinen Fängen geprahlt.
    Alaïs hatte damals entgegnet, dass sie es gewiss genauso gut zustande brächte, woraufhin Caterina gemahnt hatte, den Frauen stünde es besser an, den

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