Die Gefährtin des Medicus
eines Papstes.
Alaïs stürzte auf ihn zu. »Ist es gut gegangen? Können wir nun endlich weiter?«
Emy zuckte die Schultern. »Aurel hat einen Holzsplitter entfernt, die Wunde gereinigt und genäht, und hernach habe ich einen Verband aus den Samen und Blättern von Eibisch und Malven angelegt«, erstattete er bereitwillig Bericht.
»Aber nun können wir weiter, nicht wahr?«, wiederholte sie.
Wieder zuckte Emy die Schultern, doch diesmal war es nicht Ausdruck von Gleichmut, sondern Verlegenheit. »Der Papst hat Aurel zum Abendmahl in seinen Palast eingeladen … zum Dank für seine Dienste. Und mich auch … weil ich sein Bruder bin …«
Der Anflug eines Grinsens stahl sich auf sein Gesicht, bekundete weniger Dankbarkeit für diese große Ehre als guten Appetit auf eine gewiss ganz besondere Tafel.
»Aber …«, setzte Alaïs an.
Sie sah, wie Aurel sich von der Kutsche des Papstes entfernte, alsbald von Giacinto abgepasst wurde, der ihm vertraulich die Hand auf die Schulter legte – eine viel freundlichere, weniger rohe Geste als zuvor, da er Alaïs fortgezerrt hatte. »Das habt Ihr gut gemacht!«, raunte er Aurel zu, und seine Wangen glühten, als habe er zu der medizinischen Prozedur wesentlich beigetragen. »Die Einladung des Papstes ist eine seltene Ehre!«, setzte Giacinto hinzu.
Noch wollte Alaïs nicht glauben, dass Aurel sich tatsächlich davon geschmeichelt fühlte, war sich vielmehr sicher, dass er im Zweifelsfall lieber tief im Fleisch eines einfachen Mannes geschnitten hätte als nur oberflächlich in dem des Heiligen Vaters. Doch zu ihrer überraschung zeigte sich, dass Aurel Autard bestechlich war – nicht von einer schlichten Wunde, jedoch davon, dass der bedeutendste Mann der Christenheit ihn für einen großen und fähigen
Cyrurgicus
hielt.
Er blickte nicht frei von Scham auf seine fleckige Tunika. »So aber kann ich kein zweites Mal vor den Heiligen Vater treten«, erklärte er.
Alaïs traute ihren Ohren kaum. Nie hatte sich Aurel darum geschert, wie schmutzig er war und wie verlottert sein Gewand, nie hatte es ihn bekümmert, welchen Eindruck das auf andere Menschen machte.
»Ich werde natürlich dafür sorgen, dass Ihr anständig gekleidet seid!«, rief Giacinto schnell.
Und ich?, wollte Alaïs fragen. Was ist mit mir?
Weder Aurel noch Giacinto nahmen sie noch wahr.
»Gräme dich nicht!«, sagte Emy leise, als könnte er ihre Gedanken lesen. »Es ist doch nur für einen Abend.«
Sie hob den Blick und las Mitleid in seinen Augen. Er schien ehrlich zu bedauern, dass sie, die nun über lange Wochen zu ihnen gehörte und ein immer wichtigerer Teil einer eingeschworenen Gemeinschaft geworden war, das Brüderpaar nicht in den Papstpalast würde begleiten können, doch das war ihr kein Trost.
Alaïs schluckte schwer. Mochte Aurel auch das Gebot nicht aufgestellt haben, wonach Frauen sich dem Papst nicht nähern durften – sie konnte sich nicht erinnern, dass seine Gleichgültigkeit ihr gegenüber sie jemals so bitter enttäuscht und sich wie ein Verrat angefühlt hatte.
Dritter Teil
Avignon
Sommer und Herbst 1321
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XIII. Kapitel
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Den letzten Teil der Wegstrecke nach Avignon verbrachte Alaïs mit Giacinto und Emy im Wagen, wohingegen Aurel vom Papst gebeten worden war, ihn in seinem Gefährt zu begleiten. Der ärger über die Zurückweisung, die sie erfahren hatte, saß Alaïs noch eine Weile im Magen, doch schließlich überwog die Neugierde auf eine fremde Stadt.
Noch kündigte nichts sie an. Alaïs hatte erwartet, dass die Straße, so kurz vor Avignon, immer breiter und menschenreicher werden würde, doch stattdessen vermeinte sie, immer tiefer in eine Einöde zu geraten. Kniehoch und in sattem Grün wuchsen rechts und links des Weges Wiesen, von Feldern aber, die der Sommer anderswo golden färbte, war nichts zu sehen, nur in der Ferne ein paar Weinberge.
»Alles sumpfig«, erklärte Giacinto Navale. »Zu nichts zu gebrauchen.«
Dabei beließ er es. An Land, das keine Frucht mehr brachte, wollte er seine Gedanken offenbar ebenso wenig verschwenden wie an Menschen, die ihm zu nichts nutze sein konnten. Und dazu gehörte Alaïs ohne Zweifel.
Emy hingegen war zumindest Aureis Bruder, und als dieser sein Erstaunen darüber bekundet hatte, wie Aurel derart rasch das Vertrauen des Papstes gewinnen konnte, zeigte sich Giacinto ihm ausreichend gewogen, um mit ihm zu reden.
»Das ist wahr. Er gewährt es nicht vielen.«
Getuschel hatte eingesetzt, als des
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