Die Gefährtin des Medicus
Papstes Ansinnen ruchbar wurde, sich auf dem letzten Wegstück von Aurel begleiten zulassen. Gasbert de Laval, steif wie zuvor, nur deutlich verdrießlicher, hatte die Priester, Knappen und Pagen schließlich zum Schweigen gebracht. »Es ist gut, wenn er über die Verletzung wacht«, hatte er aus einer Gunstbezeugung eine Notwendigkeit gemacht.
Giacinto Navale hingegen deutete es nun anders.
»Euer Bruder scheint ihn in der Tat beeindruckt zu haben«, fuhr Giacinto fort. »Doch so verwunderlich, wie es scheint, ist das nicht. Der Papst ist keiner, der sich von der Herkunft und dem Äußeren eines Menschen blenden lässt. Er ist von Natur aus misstrauisch, müsst Ihr wissen, was wiederum bedeutet, dass er dem eigenen Blick mehr traut als den Worten seiner Einflüsterer. Gasbert de Laval ausgenommen – jener ist als Kämmerer sein engster Berater, doch selbst der musste dem Heiligen Vater heute seinen Willen lassen.«
Er lachte, als schien ihn zu freuen, dass dieser dunkel gewan – dete Mann das Nachsehen gehabt hatte, doch sein Spott geriet nicht beißend wie so oft, sondern gutmütig.
»Und warum ist er derart misstrauisch?«, fragte Emy.
Alaïs blickte durch die Luke hinaus. Inmitten des sumpfigen Gebiets ragten nun erstmals Mühlen auf, und sie sah, wie die Bauern, die dort ihr Getreide mahlen ließen, innehielten und zusammenströmten, um den Zug zu bestaunen. Sie passierten einen Nebenfluss der Sorgue – nicht von Gottes, sondern von Menschenhand gemacht, wie sie später erfuhr. Mit dieser Umleitung des Wassers konnten zwar nun die Mühlen betrieben werden, aber aus dem umliegenden fruchtbaren Land waren dafür nutzlose Sümpfe geworden.
»Warum der Papst misstrauisch ist und sich einzig auf das eigene Urteil verlässt? Er hat allen Grund dazu!«, rief Giacinto eben aus. »Als er gewählt wurde, lagen die Kardinäle im Streit miteinander. Die Italiener und Gascogner waren sich spinnefeind. In den Wochen, ja Monaten der Wahl gingen die Anhänger regelmäßig aufeinander los, schlugen sich und brachten sich sogar um, anstatt einen Nachfolger von Papst Clemens zu küren.Daraufhin hat der König von Frankfurt die Kardinäle in Lyon eingesperrt und gedroht, sie so lange nicht freizulassen, bis ein Papst gefunden wäre. Johannes hat wohl nie vergessen, dass dieser Zwang – und nicht die Begeisterung für ihn – ihm schließlich das mächtige Amt eingetragen hat. Und er war auch weiterhin nicht zu eitel, um zu verkennen, warum man ihn und keinen anderen erwählt hatte. Schlichtweg, weil er der älteste war und man vermeinte, er würde ohnehin bald sterben und man könne solcherart in Ruhe seine Nachfolge vorbereiten. Er hat sie alle getäuscht.«
Wieder lachte er, diesmal deutlich überheblich. Vielleicht lag es daran, dass man auch von ihm einst weniger erwartet hatte, er es aber trotzdem zu diesem dicken Geldbeutel gebracht hatte und dazu, am Hofe des Heiligen Vaters für seine Dienste geschätzt zu werden. Gönnte er nicht zuletzt darum Aurel den Triumph? Weil jener zwar manche Anfeindung zu ertragen hatte, manche Verächtlichkeit – nun aber mit dem Papst speisen würde?
In der Ferne, dort wo die Wiesen das Himmelblau trafen, war nun ein schmaler, gelblicher Streifen zu sehen; er wurde breiter, schließlich zur Ahnung einer Häuserflut. Alaïs hatte erwartet, dass eine solch wichtige Stadt wie Avignon von dicken Mauern umgeben sein würde. Doch jene, auch das erfuhr sie später, waren geschliffen worden, als König Louis VIII. die flüchtenden Albigenser besiegt hatte, und keiner der späteren Könige – selbst der jetzige Robert nicht – hatte sich die Mühe gemacht, sie wieder aufzubauen.
Inmitten des Tals – nicht länger sumpfig war es hier, sondern voller Heideland – ragten nun befestigte Türme auf, die Spitzen von Kirchen und Konventen. Eben noch dünne Striche am Horizont wurden sie immer größer, desgleichen wie die Rhône, die sich an der Stadt des Papstes vorbeischlängelte, zunehmend lauter rauschte. Dunkel strömte das Wasser, wild und voller gewaltsamer Strudel.
Als sie das Ufer des Flusses erreichten, löste sich ein überraschter Aufschrei aus Alaïs’ Kehle. ähnlich wie zuvor die Bauern bei den Mühlen neugierig geglotzt hatten, ließen hier die Zimmerleute ihre Arbeit ruhen. Sie hatten ihre Werkstätten in der Nähe jenes Hafens eingerichtet, wohin die Flößer ihr Holz brachten. Doch nicht diese waren es, die Alaïs’ Aufmerksamkeit fesselten, vielmehr eine riesige
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