Die Gefährtin des Medicus
das gebrochene Rad!«
Ein kleiner, geduckter Mann fiel nahezu aus der Kutsche, als er ihr hektisch zu entsteigen suchte, seine Wangen glühend rot gefärbt, und ihm folgte – viel gesetzter und darum würdevoller – ein zweiter, groß und schmal, mit ungewöhnlich weißem Gesicht. Er hielt sich den verletzten Arm, doch die mürrische Miene, die er an den Tag legte, schien weniger von Schmerzen zu zeugen als von Verächtlichkeit.
Sobald er seiner ansichtig wurde, senkte Giacinto den Blick, ja, tat noch mehr, um seinen Respekt zu bekunden: Er fiel auf die Knie.
»Es ist der Papst höchstselbst«, raunte er Aurel zu. »Johannes XXII.«
Er schien dem alten Mann nicht das erste Mal gegenüberzustehen und wagte dennoch nicht, ihn anzusehen.
Auch sein Kämmerer, der Gasbert de Laval hieß, wie Alaïs nun wusste, hatte den Kopf eingezogen. »Heiliger Vater, es tut mir von Herzen leid, dass Ihr dieses Ungemach zu erleiden habt. Doch ich …«
Der Papst trat näher. Das Erste, was Alaïs an ihm auffiel, waren seine roten Sandalen, dann, als ihr Blick höherglitt, die Handschuhe mit aufwändigen Goldstickereien. Nicht minder hell funkelte die Brosche an der Brust, die das
Pluviale –
den halbkreisförmigen Mantel – zusammenhielt.
Aurel war aufrecht stehen geblieben. »Ich bin
Cymrgicus«,
fiel er Gasbert ins Wort, als wäre damit alles gesagt, um seine Dreistigkeit zu erklären. »Ich kann Euch helfen!«
»Ein
Cyrurgicus
!«
Jener Mann, der eben rotgesichtig aus dem Wagen gestürzt war – offenbar der besagte
Apothecarius
–, fuhr empört herum. Sein Gesicht wurde noch einen Farbton dunkler, sein Blick flackerte. »Ein
Cyrurgicus
!« kam es ein zweites Mal, so quietschend hoch, als würde eine Frau sprechen. »Was wir hier brauchen, ist ein richtiger Medicus …«
Giacinto, der sich rasch erhoben hatte, schien beschwichtigenddie Hand auf Aureis Schulter legen zu wollen. Doch da war jener schon forsch zum Papst geschritten, wagte ihn zwar nicht anzufassen – was er bei jedem anderen Patienten getan hätte –, aber musterte die Verletzung eingehend. Alaïs konnte aus der Ferne nicht erkennen, wie schwer sie wog – da es in Aureis Augen nicht aufglomm, war sie sicher, dass es kaum mehr als ein Kratzer war. Doch wohingegen bei jedem anderen Aureis Interesse spätestens jetzt geschwunden wäre, beugte er sich noch tiefer über den Arm des Papstes.
»Eine Decke!«, befahl er. »Wir brauchen eine Decke, um die Wunde vor der Luft und ihren schädlichen Miasmen zu schützen!«
»Was fällt Euch ein!«, rief der päpstliche Kämmerer. »Ihr könnt Euch nicht einfach dem Heiligen Vater nähern!«
Er war kaum zu hören, denn eben gerieten sämtliche Stimmen durcheinander. Der Rotgesichtige bekundete mit weiterhin quietschender Stimme, was Alaïs schon geahnt hatte, dass er nämlich der
Apothecarius
des päpstlichen Hofes sei, und wenn er auch den päpstlichen Leibärzten nicht annähernd an Wissen nahekomme, so sei er doch für die Gesundheit des Papstes zuständig – viel mehr zumindest als ein dahergelaufener
Cyrurgicus.
Giacinto wiederum trat ebenfalls näher und begann eine Lobeshymne auf Aurel zu singen. Detailliert beschrieb er dessen Operationsmethoden am Kopf eines Mannes, der ohne Aurel gewiss das Zeitliche gesegnet hätte. Es zeigte sich, dass er darin geübt war, seine Waren anzupreisen und auch liebgewonnene und besonders teure ohne Wehmut zu verkaufen, Hauptsache, sie brachten am Ende Gewinn.
Aurel selbst schaltete sich nun auch wieder ein, indem er bekundete, dass die Wunde des Papstes üble Folgen haben könnte, würde sie nicht ausreichend behandelt – und dafür sei niemand besser geeignet als er.
Eine Weile ging es wild durcheinander. Einige der Edelknappen kicherten, einige der Ritter, die den Papstzug begleiteten, grummelten.
Doch schließlich war es die – noch mürrischere, noch nörgelndere – Stimme des Papstes selbst, die dem Aufruhr ein Ende machte.
»Schluss jetzt!«
Er hob die noch heile Hand, und alle verstummten – nur Aurel nicht.
»Die Wunde muss gereinigt und genäht werden. Auf dass kein Fremdkörper und kein Schmutz zurückbleiben, würde ich sie mit der
Tenacula
etwas tiefer einschneiden, bis das frische Blut aus ihr strömt. Das ist ein chirurgisches Instrument aus starkem Stahl mit scharfer Schneide.«
Gleichwohl Papst Johannes immer noch die Hand erhoben hielt, konnte sich der
Apothecarius
nicht verkneifen, wieder das Wort zu ergreifen.
»Was für ein
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