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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Schweigegeste die Hand vor die Lippen.
    »Drei Jahre gehörtest du zu den Damen in der Witschgasse?«
    Sie nickte.
    »Und musstest ein Schweigegelübde ablegen?«
    Es war eine mühselige Art der Befragung, aber Martine gab sich alle Mühe, ihnen verständ­liche Antworten zu geben. Auch Laure stellte erstaunlich einfühlsam ihre klugen Fragen, und nach einer Weile rundete sich für Hagan das Bild ab. Die Mater Dolorosa schien unter den Huren, die sich als Töchter der Nacht bezeichneten, einige intelligente Frauen herauszusuchen, die nicht mehr attraktiv genug für die Männer waren, und bot ihnen dann Obdach und Bequemlichkeit an. Dafür mussten sie in diesem Haus leben, weiße Gewänder tragen und bei einer Art Hokuspokus im Keller mitwirken. Darüber, was dort passierte, mussten sie schweigen. Sie durften auch nicht alleine das Haus verlassen, sondern wurden immer von Wächtern begleitet. Einer davon war der Ritter von Hane. Er und noch drei andere Ritter übten so etwas wie einen Ehrendienst bei den Verschleierten aus, es gab aber auch eine Anzahl Knappen und Pagen, junge Männer und Knaben, die zu einer Art Minnedienst den Damen gegenüber angeleitet wurden. Sie behandelten sie mit ausgesuchter Ehrfurcht und begleiteten sie bei jedem ihrer Schritte außerhalb des Konvents. Die Krypta jedoch durften sie nicht betreten. Auch sie waren zum Schweigen verpflichtet. Wer immer dieses Schweigen brach, wurde von der Mater Dolorosa oder einem ihrer Ritter verstümmelt. Martine hatte drei Jahre lang den faulen Zauber mitgemacht, dann aber dagegen aufbegehrt. Also hatte man ihr die Zunge herausgeschnitten und sie halb verblutet am Rheinufer liegen lassen. Eine alte Bettlerin hatte sich ihrer angenommen und sie gesund gepflegt.
    »Und das alles läuft schon seit Jahren«, sagte Hagan schließlich. »Verdammt, ich dachte, das sei eine neue Entwicklung.«
    »Hemma hat vor knapp dreißig Jahren das Adelheidis-Stift verlassen. Ungefähr seit dieser Zeit scheint ihre Schwester bereits ihrem eigenen Stift vorzustehen«, sagte Laure.
    »Das bedeutet, Hagan, dass auch der alte Erzbischof von dieser Sache gewusst hat und die Einnahmen aus dem Schwindel für seine Zwecke eingesetzt hat.«
    »Kann sein, Piet. Aber …«
    Friedrich von Saarwerden war ein aufrichtiger Mann gewesen. In Hagan sträubte sich alles dagegen, das anzunehmen, was jetzt so offensichtlich schien.
    »Ja, es kann auch ein anderer in seinem Umfeld dafür gesorgt haben. Zumindest hat er die Mär von dem Grabtuch nicht in die Welt gesetzt. Die ist tatsächlich jetzt erst aufgetaucht.«
    »Die Angelegenheit wird immer verworrener«, sagte Laure und schüttelte den Kopf. »Komm, Martine, wir beide müssen uns wieder um unsere Arbeiten kümmern.«
    Als die beiden Frauen fort waren, biss Piet krachend in einen Apfel und warf auch Hagan einen zu.
    »Könnte sein, dass es anfangs wirklich nur ein normales Stift war. Die Nachbarn sagen, es war einmal ein Haus für gefallene Frauen.«
    »Immerhin hat aber jemand schon sehr früh etwas mit deren Diensten anfangen können.«
    »Es muss nicht der Erzbischof gewesen sein, das ist richtig. Korrupte Priester hat es schon immer gegeben.«
    »Fragt sich, wie diese Ritter da hineinpassen«, sagte Hagan und warf das Apfelgehäuse fort. »Immerhin habe ich der Hure gestern entlockt, dass der alte Schlebusch auch in ihre Fänge geraten ist. Er hat’s mit den jungen Chorknaben.«
    »Erpressbar.«
    »Richtig. Aber keiner der Wächter oder Beschützer.«
    »Einer der Ritter stammt aus dem Geschlecht derer von Hürth, einer der Pagen aus dem von Iddelsfeld.«
    »Ein Johannes von Iddelsfeld – mit dem war Hemma verheiratet. Das wird ja immer verwobener.«
    »Die alte Frau sollte uns doch mal ausgiebig Rede und Antwort stehen, denke ich.«
    »Frau Laure wird das nicht gerne sehen.«
    »Und mit ihr willst du es dir nicht verscherzen.«
    »Ich will sie nicht bedrängen. Vielleicht gibt es noch andere Wege. Was hat deine nächt­liche Beobachtung ergeben?«
    »Dass das Haus gut bewacht ist. Es leben außer den Verschleierten noch ein halbes Dutzend Mägde dort. Außerdem haben sie mindestens zwei Türwächter, vermutlich mehr. Dem Aussehen nach recht tatkräftige Männer, bewaffnet und wenig freundlich. Zwei Priester kamen, jeder mit einem Begleiter, im Schutze der Dunkelheit und wurden auf ein vermutlich vereinbartes Zeichen eingelassen.«
    »Erlösungssuchende. Die an irgendeinem Heckmeck im Haus teilnehmen, dafür ordentlich zahlen und

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