Die Gefährtin des Vaganten
anderen Kreuzrittern, Konstantin und Otto.
Die Bedrohung, die durch die Irrlehre entstanden war, war aber auch diesen beiden Männern wohl bewusst, und da die Mumie sie hätte verraten können, überlegten sie, ob sie sie nicht vernichten sollten. Doch Juttas Wohlergehen hing an dem Glauben um deren Wundertätigkeit, und so beschlossen sie, sie in ein besseres Versteck zu bringen, fern von ihrer Heimstätte. Jutta und ihr getreuer Wächter Konstantin von Hane begleiteten die Mumie nach Köln, wo sie in den tiefen Kellern eines unscheinbaren Hauses in der Witschgasse in ihrem ganzen Prunk gebettet wurde.
Jutta lebte mit einigen Mägden in diesem Haus, ging selten aus und pflegte keinerlei Geselligkeit. Ihr Sohn Friedrich wuchs in Hürth bei seinen Großeltern auf und besuchte sie immer seltener, je älter er wurde. Er heiratete, zeugte Kinder, und seine Tochter Consuela schloss sich, als sie zur Jungfrau herangereift war, ihrer Großmutter Jutta an.
Konstantin von Hane hatte sich zwar dem Hohen Minnedienst Jutta gegenüber verschrieben, aber da sie ein keusches Leben gelobt hatte, gehorchte er dem Wunsch seines Vaters und heiratete eine junge Edelfrau, mit der er drei Söhne und eine Tochter zeugte. Seine Kinder aber erzog er in Achtung vor Jutta, die ihr Leben stiller Anbetung geweiht hatte.
Otto heiratete ebenfalls, um seinem Geschlecht Erben zu schenken, und auch seine Kinder wurden in Ehrfurcht vor seiner Schwester erzogen.
Ottos kleiner Bruder Max von Hürth, der von einem wissbegierigen Knaben zu einem angesehenen Gelehrten heranreifte, hatte nie die Faszination an der Geschichte um die Mumie aus dem Morgenland verloren und schrieb alle Ereignisse, die sich um sie rankten, getreulich in einem Codex nieder. Pergamentseite um Pergamentseite füllte er mit den Berichten über ihren Erwerb, ihre angeblichen Wunder, über den Verrat an dem Priester, das Versteck, die stille Anbetung Juttas, später der Töchter der Ritter, den treuen Minnedienst Konstantins und seiner Söhne. Er behielt jedoch seine Aufzeichnungen für sich, den Lebenden hätten sie schaden können. Doch als Max hochbetagt starb, fiel dieses geheime Buch seiner Enkelin Maria in die Hände.
28. Bei den Huren
Die Sünden gegen das 6. Gebot sind keineswegs
die schlimmsten, aber die klebrigsten.
Thomas von Aquin
Oktober 1415
Die Frau sah nicht schlecht aus, ihr Gewand war von einem dunklen, sündigen Rot, den Halsausschnitt hatte sie so weit nach unten gezogen, dass man den Ansatz ihrer Brüste sehen konnte, obwohl der Herbstabend schon empfindlich kühl war. Unter dem bunten Schleier fielen braune Locken über ihre Schultern, als sie sich aus dem Fenster des Hauses lehnte.
»Ihr sucht nach Unterhaltung, wohledler Herr?«, gurrte sie, als Hagan mit zögernden Schritten näher kam. Er hatte eine, wie er hoffte, dümmlich lüsterne Miene aufgesetzt und scharrte verlegen mit den Füßen, als er vor ihr stand.
»Ähm …«
»Ein Schoppen gewürzten Weins möchte die Kühle vertreiben, Herr.«
»Ja, mhm. Würde er wohl.«
Er sah sich verlegen um, als ob er befürchtete, jemand könne ihn beobachten. Natürlich waren da etliche Augenpaare, die sein Treiben verfolgten.
»Wollt Ihr mir nicht bei einem warmen Trunk Gesellschaft leisten, Herr?«
»Ich … ähh … na ja. Schon, aber …«
Wieder schaute er sich um.
Die Haustür neben dem Fenster öffnete sich einen Spalt, und mit gebührend schuldbewusster Miene zwängte er sich hastig hinein.
Stephan hatte ihm beschrieben, wo er eine der Töchter der Nacht finden würde, und wie es aussah, war diese hier mehr als bereit, ihm ihre Liebesdienste zu verkaufen. Eine alte, zahnlose Vettel krächzte etwas und wies mit dem Finger auf eine Stiege. Die ausgetretenen Stufen knarrten, als er sich nach oben begab. Gleich darauf folgte ihm das Weib mit einer Kanne und zwei Bechern und öffnete die Tür zu einer Kammer. Obwohl die Gegend an der alten Stadtmauer heruntergekommen wirkte, hatte sie das Zimmer lauschig eingerichtet. Ein farbenprächtiger Teppich bedeckte den Boden, der Alkoven an der Wand war mit Schnitzereien verziert, eine Pelzdecke lag über den Polstern. Sie stellte den Wein auf ein Tischchen und schenkte ihnen ein.
»Fremd hier in der Stadt, wohledler Herr?«
»Neu hier. Noch nicht lange da.« Er mimte Unsicherheit, drehte den Becher in der Hand und roch an dem dunklen, roten Wein.
»Ein Handelsherr?«
»Pelze, aus dem Osten. Aber nun will ich … Na ja, hier in der
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