Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
blickte besorgt die Straßen hinab.
    Eine Staubwolke erschien in der Ferne. Pferde näherten sich.
    Sie stand auf, hoffnungsvoll.
    Doch als die beiden Rösser näher kamen, zeigte sich, dass keiner der Reiter ihr Vater war. Immerhin, der Löffelschnitzer Bertrand und Piet waren es.
    Sie stand auf und ging ihnen entgegen.
    Piet zügelte sein Pferd neben ihr.
    »Na, Melle? Übst du dich im Straßenraub?«
    »Nein, Piet. Ich mach mir Sorgen«, platzte sie heraus.
    »Worüber?«
    »Mag … mein Vater ist weg.«
    »Was heißt das?«
    Sie biss sich wieder auf die Lippe und erzählte dann, was sie belauscht hatte und was sie vermutete. Piets Gesicht wurde mit jedem Wort, das sie sagte, düsterer.
    »Verdammt«, knurrte er dann leise. »Er hätte es besser wissen müssen.«
    Bertrand sah Piet ebenfalls an.
    »Besser, wir reiten rüber, was?«
    »Was ist mit ihm, Piet?«
    »Wir haben mit Upladhin noch ein paar Nachforschungen angestellt. Es scheint, dass diese Leute, die mit den Damen in Verbindung stehen, ziemlich gefährlich sind. Mörderisch gefährlich. Bestell Frau Laure, dass wir zurück nach Köln geritten sind. Wir schicken Botschaft, wenn wir mehr wissen.«
    Melle schluckte trocken. Sie hatte Angst. Und sie war das Warten leid. Darum griff sie nach dem Zügel.
    »Ich will mitkommen, Piet.«
    »Das kannst du nicht.«
    »Doch. Ich hab gehört, wie Stephan das Haus beschrieben hat. Ich könnte da rein.«
    Der Löffelschnitzer legte Piet die Hand auf den Arm.
    »Das Mädchen ist klug, Piet.«
    Er sah sie ebenfalls fragend an.
    »Renn, und hol eins der Frettchen und deinen Umhang.«
    Melle nickte. Sie hatte augenblicklich verstanden, was Piet meinte.
    Der Innenhof war inzwischen wieder leer, Olaf klopfte auf der Rückseite der Werkstatt Schindeln auf das Dach, aus der Küche kam der Geruch von bratendem Fleisch, und in der Scheune hörte sie Stephans heiseres Husten. Sie nahm ihren neuen Umhang vom Haken und hob eines der Frettchen aus seinem Korb. Das weiche Tier schmiegte sich augenblicklich an ihren Körper, und sie lief wieder hinaus, Richtung Tor.
    »Wohin willst du, Kind?«, fragte Inocenta, die einen Korb Eier in der Hand trug.
    »Nach Köln, mit Piet und Bertrand. Magister Hagan suchen.«
    »Bist du des Wahnsinns, Mädchen?«
    »Nein, Inocenta. Nein. Ich weiß jetzt, wo er ist. Er ist in Gefahr!«
    Melles Stimme überschlug sich fast.
    Inocenta stellte sich ihr in den Weg.
    »Ich gehe mit.«
    »Nein. Nein! Er ist mein Vater. Ich muss ihm helfen! Lass mich durch!«
    »Melle!«
    »Verstehst du nicht – ich habe Angst!«
    Inocenta musterte sie kurz.
    »Angst ist gut. Dann lauf. Pass auf dich auf. Ich richte es Frau Laure aus. Sie sorgt sich auch um ihn.«
    Melle nickte und lief auf die Pferde zu. Bertrand half ihr auf das seine, und schon waren sie unterwegs.
    Erst auf der Fähre sprachen sie wieder.
    »Wisst ihr, wo das Haus ist?«, wollte Melle leise wissen.
    Piet nickte.
    »Ja, ich habe es eine Zeit lang beobachtet.«
    »Wir können wohl so nicht da hin?«
    »Nein, das würde auffallen. Die Pferde stellt Bertrand im ›Adler‹ unter. Das soll ein anständiger Gasthof mit einer Schmiede sein.«
    »Und wir?«
    »Wir beide besuchen einen Altkleiderhändler. Und nun schweig.«
    Es kamen mehr und mehr Leute auf die Fähre, man stand recht dicht beieinander, also hielt Melle wirklich den Mund.
    Mit Piet ging sie kurz darauf über den Alter Markt zu den Buden, die gebrauchte Kleider feilboten, und er erstand ein paar ziemlich ärm­liche Lumpen. Bei einem Apotheker hielt Piet ebenfalls an und kaufte ein Fläschchen Laudanum.
    »Was ist das, Piet?«
    »Ein Heilmittel.«
    Piet machte nicht den Eindruck, als ob er ihr weitere Erklärungen geben wollte, und so trottete sie schweigend hinter ihm her. Sie brachten die Bündel ebenfalls zum »Adler« und kleideten sich hier um. Die Gewänder stanken und waren an vielen Stellen zerrissen oder geflickt, aber sie mochten ihren Dienst erfüllen. Melle ekelte sich ein wenig, aber das Frettchen schien sie zumindest zu mögen. Es krallte sich an ihrer Schulter fest und schlief wieder ein.
    Es war später Nachmittag, und die Sonne schickte sich bereits an, hinter dem Horizont zu verschwinden. Die Gassen lagen in langen Schatten, doch noch ging es lebhaft zu in der Stadt. Eselskarren, Sänftenträger, Fuhrwerke, streunende Hunde, Wäscherinnen mit großen Körben, Huken­träger und Bettler bevölkerten die Straßen. Niemand schenkte drei zerlumpten Gestalten mit schmutzigen

Weitere Kostenlose Bücher