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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Blick durch den Raum schweifen lassen können. Gebeine lagen dort in der Ecke. Gebeine, altersschwarz – hoffte er – und mensch­liche Gestalten, in Binden gewickelt, aufgestapelt an den Wänden.
    Mumia – vielleicht.
    Ein Leichenkeller. Oder ein Vorratskeller für ihre »Reliquien«.
    Dann hatte der Schmerz ihn übermannt, und sie waren schweigend wieder gegangen.
    Doch er war sich ganz sicher, dass sie zurückkehren würden. Sie wollten von ihm wissen, wer er war und warum er sich mit einer falschen Geschichte bei ihnen einge­­schlichen hatte. Zumindest so lange würden sie ihn am Leben erhalten.
    Und quälen.
    Er war ein Idiot gewesen. Ein solch ausgemachter Idiot. Wie hatte er so leichtsinnig sein können, sich alleine in die Höhle des Löwen zu begeben? Er hätte auf Piets Rückkehr warten und mit ihm als Rückendeckung dieses Unterfangen angehen sollen.
    Hör auf zu jammern!, sagte er sich und versuchte, durch eine kleine Bewegung den Schmerz an eine andere Stelle zu verlagern.
    Denk nach!
    Er war gefangen, Hilfe nicht in Sicht. Man würde ihn foltern, um seine Gründe aus ihm herauszupressen. Er konnte so weit wie möglich bei der Wahrheit bleiben. Nur eines durfte nicht passieren – andere durften nicht in Gefahr gebracht ­werden. Vor allem Melle nicht. Und schon gar nicht Laure. Das Gasthaus in Brück also durfte er nicht erwähnen.
    Verdammt, wie viel konnte der alte Richmont von Schlebusch der Mater Dolorosa von ihm erzählt haben?
    Hagan strengte sich an, die Unterhaltung mit dem Mann vor drei Wochen zu memorieren. Viel war damals aus dem alten Trunkenbold nicht herauszuholen gewesen. Seine zänkische Tochter hatte sich über seinen sündigen Lebenswandel ausgelassen – ob sie gewusst hatte, dass er sich mit jungen Knaben vergnügte, wusste er nicht, aber diese Unzucht hatte ihn gewiss in die Hände des Konvents gespielt. Er hatte nicht von seiner Bischofsweihe gesprochen, dessen war er sich sicher, aber natürlich wusste der Ritter, Siberts Vater, dass er damals eine Domherrenpfründe in Speyer erhalten hatte. Sibert kannte auch seine Abstammung, aber ob er die jemals seinem Vater gegenüber erwähnt hatte? Hagan glaubte es nicht. Hoffte es nicht. Denn das würde die Angelegenheit noch weit schlimmer machen.
    Hatte er ihm von Brück und der »Bischofsmütze« erzählt? Von den Vaganten?
    Er hatte ihm eine Geschichte vorgesponnen, die vage entlang der Wahrheit verlief. Gut, über das Gasthaus und die Vaganten hatte er kein Wort verloren. Und selbst wenn der Alte sich etwas aus seinen Worten hatte zusammen­reimen können, war er doch so wenig interessiert gewesen … Obwohl, so ein trunkener Geist konnte manchmal die seltsamsten Sachen behalten. Er hatte von Konstanz gesprochen, nicht aber von seiner Aufgabe dort. Und erst recht nicht von seiner Reise mit den Vaganten. Melle hatte er auch nicht erwähnt. Das war schon mal gut.
    Seinen Besuch in Köln hatte er damit begründet, einige nicht näher ausgeführte familiäre Angelegenheiten ordnen zu müssen, und er hatte den Besuch bei Upladhin erwähnt, den Schlebusch kannte.
    Also zog er vermutlich den Hauptmann in diese Sache mit hinein. Allerdings konnte er dem alten Haudegen vertrauen. Der wusste, um was es hier ging, und er war noch immer ziemlich gut in der Lage, sich selbst zu schützen. Upladhin konnte er erwähnen, wenn er nach Namen gefragt wurde.
    Vielleicht lag sogar ein Vorteil darin, wenn er dessen Namen nannte. Wenn sie ihre Häscher auf ihn hetzten, würde er wissen, dass etwas schiefgelaufen war. Also musste er sich eine Geschichte ausdenken, wie er ihn ins Spiel bringen konnte.
    Das war ein neuer und überdenkenswerter Ansatz.
    Wer würde sein Verschwinden bemerken?
    Piet und Klingsohr waren am Freitag mit Upladhin nach Lindenthal aufgebrochen, vermutlich am Samstag nach Poppelsdorf geritten und würden wohl nicht vor Dienstag oder Mittwoch nach Brück zurückkehren.
    Was war er nur für ein Idiot, dass er sie nicht in seine Pläne eingeweiht hatte und ebenfalls am Samstag nach Köln gegangen war. Nach seinem Gespräch mit Stephan war es ihm so einfach erschienen, Zugang zu den verschleierten Damen zu erhalten.
    Gut, er hätte es auch fast geschafft, wäre dieser verdammte Schlebusch nicht aufgetaucht. Aber gerade solche Zufälle hätte er bedenken sollen.
    Wieder versuchte er, durch eine kleine Bewegung die zerrenden Schmerzen in seinen Armen zu verlagern.
    Halt – nicht an den Fehler denken, den er gemacht hatte, sondern

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