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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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schwierige Werbung fortsetzen.«
    Er war fortgeritten, und wohl war Laure nicht dabei. Aber es galt, wieder Ordnung zu schaffen und allerlei Erklärungen jenen zu geben, die vorbeikamen – aus Neugier oder echter Hilfsbereitschaft.
    Und dann forderte der Tag noch ein weiteres Opfer.
    Martine kam in der Abendstunde zu Laure und machte ein aufforderndes Zeichen.
    »Ist etwas mit Hemma?«
    Martine nickte und bekreuzigte sich.
    Laure ging müde die Treppen nach oben. In dem Zimmer war es still. Martine hatte das Fenster geöffnet, und ein blutrotes Weinblatt war hineingeweht worden. Es lag auf Frau Hemmas über der Brust gefalteten Händen.
    Still sprach Laure ein Gebet.
    Und draußen erhob ein Wolf seine langgezogene Klage.

41. Erzbischöfliche Jagd
    Durch Zweifel kommen wir nämlich zur Untersuchung;
    in der Untersuchung erfassen wir die Wahrheit.
    Peter Abaelard
    Der Wald erglühte in Gold- und Kupferfarben, in lichtem Gelb und sattem Rot. Hoch ragten die Buchen und Eichen auf, und Sonnenstrahlen fanden ihren Weg bis unten zu den leuchtenden Blättern am Boden. Oben aber, über den hohen Wipfeln, wölbte sich ein blauer Himmel. Hagan hielt inne, um den Anblick in sich aufzunehmen. Er liebte den Herbstwald in seiner vergäng­lichen Pracht. Nur wenige Tage würde er derart glühen, Regen und Wind würden das Laub bald von den Ästen fegen.
    Aber heute war es windstill, und nur das Rascheln der Blätter unter seinen Füßen war zu hören. Sein Pferd hatte er am Waldrand angebunden, er folgte dem schmalen Wildpfad zu Fuß. Wildschweine auf der Suche nach Pilzen hatten hier und da den schweren schwarzen Boden aufgewühlt, doch die roten, weiß getupften Hexenpilze im grünen Moos hatten sie verschmäht.
    Einige Male blieb Hagan stehen und lauschte. Es gab vertraute Laute in diesem Wald, so wie ihm auch die Wege ­vertraut waren. Noch im vergangenen Jahr hatte er ihn durchstreift; die Trauer, die er damals empfunden hatte, flog ihn wieder an. Es war April gewesen, und das erste Grün hatte sich an den Zweigen gezeigt. An jenem Tag war sein Vater gestorben, hier in Poppelsdorf. Er war von Speyer herbeigeeilt, um Abschied von ihm zu nehmen. Er hatte an seinem Lager gesessen, ebenso wie Dietrich. Alte Freunde waren leise hinzugekommen, und manchmal war Friedrich aufgewacht und hatte zu dem einen oder anderen ein paar Worte gemurmelt. Auch ihn hatte er einmal angesehen. Es war aber Dietrich gewesen, der seine Hand hielt, als er seinen letzten Atemzug tat.
    Es hatte ihn damals geschmerzt, und er hatte sich zurückgesetzt gefühlt. Vielleicht war aus dieser Geste seine Wut auf seinen Vetter entstanden. Die Wut, von der Engelbert von Soest ihn erlöst hatte. Der blinde Cantor der Domschule war einer der ältesten Freunde seines Vaters gewesen, und ihm hatte der Verstorbene in seinen letzten Tagen noch eine Botschaft für Hagan aufgegeben. Aber da der sich in seiner Trauer und seinem Groll wenig bei Hofe gezeigt hatte, hatte Engelbert damals keine Möglichkeit gefunden, sie ihm auszurichten.
    Hätte es etwas geändert?
    Ja, vielleicht. Er hätte Dietrich nicht sofort verdächtigt, ihn ein zweites Mal umbringen zu wollen und hätte eher in einer anderen Richtung geforscht.
    Er hätte Laure wohl nicht gefunden.
    Es mochte so alles seinen Sinn haben.
    Hagan blieb an einer mächtigen Eiche stehen. Auch sein Vater hatte diesen Wald oft besucht, als Junge hatte er ihn manches Mal begleitet. Nicht die Liebe zur Jagd, wie Dietrich sie zeigte, sondern die Freude an der Natur war es bei ihm gewesen. Seine Amtsgeschäfte hielten ihn oft tagelang in seinen Räumen gefangen, Bittsteller, Würdenträger, Patri­zier und Ratsherren aus Köln, Abgesandte anderer Fürsten, hohe Geist­liche und Gelehrte von den großen Universitäten suchten ihn auf. Bei seinen Gängen durch die Gärten der Burg und die angrenzenden Wälder fand er zu seiner Ruhe zurück. Und beschäftigte sich mit seinem Sohn.
    Er war ihm ein guter Vater gewesen, auch wenn er nur wenig Zeit mit ihm verbringen konnte. Er hatte sich um seine Ausbildung gekümmert, ihm eine reiche Pfründe zugewiesen, langmütig über seine wilden Jahre hinweg­gesehen und letztlich, vor sechs Jahren, sogar dafür gesorgt, dass der Papst ihn auf dem Konzil von Pisa als Friedrichs legitimen Sohn anerkannte.
    Eines aber hatte er nicht getan. Er hatte Hagan nicht als seinen Nachfolger vorgeschlagen, sondern Dietrich, den Sohn seiner Schwester, dazu ernannt.
    Engelbert von Soest war es, der ihm nun

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