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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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kennengelernt hatte. Dann begann er leise zu erzählen. »Hanna war die Tochter eines Hufschmieds aus Darmstadt. Der war ein achtenswerter Mann. Mehr als ich damals. Er hat sie nicht verstoßen, als sie schwanger war, sie hat ihr unehe­liches Kind zur Welt gebracht, aber danach hat man sie zu ihrer älteren Schwester nach Limburg geschickt. Sie hat dort im Haushalt mitgearbeitet, aber dann hat sie ein Verhältnis mit einem Priester angefangen.«
    »Pfaffenhure?«
    »Konkubine. Du weißt doch, wie das mit dem Zölibat ist.«
    »Tja, füllt die Kassen.«
    »Der Priester erhielt eine Pfründe in Köln, und sie ist mit ihrer Tochter als seine Haushälterin mitgegangen. Vor zwei Jahren ist der Mann gestorben, Hanna hat – frag mich nicht warum – sich als Dirne verdingt und das Mädchen zurück zu ihrer Schwester gebracht. Die Zuhälter haben sie nach Konstanz geschickt. Und dort haben sie sie um­­gebracht.«
    »Warum?«
    »Dirnen hören zu viel.«
    »Was hat sie gehört?«
    »Ich vermute etwas über die Flucht des unseligen Papstes.«
    »Scheiße.«
    »Richtig.«
    »Und warum hast du nun Angst vor dem Kind?«
    »Weil ich ihr das erklären muss.«
    »Das wird sie verkraften. Aber kannst du ihr auch erklären, warum du ihre Mutter mit einem Kind im Bauch sitzengelassen hast?«
    Aua, dachte Hagan. Autsch. Das war genau die wunde Stelle, warum er nicht beschwingten Fußes in die Stadt marschierte, um sich seiner Tochter zu stellen.
    »Habe ich da in der Wunde gepolkt?«
    »Scheint so«, murmelte Hagan.
    »Du bist ein Mann, gottähnlich und recht nett anzuschauen. Mit fast dreizehn weiß ein junges Weib, worauf es ankommt, wenn sie nicht im Kloster aufgewachsen ist. Erklär es ihr, du bist doch sonst nicht aufs Maul gefallen. Du hast ja selbst mir gewagt zu sagen, dass du meinen süßen Leib nicht zu beglücken gedenkst.«
    Hagan atmete tief ein. Die gnadenlose Ehrlichkeit der Zwergin zerrte an ihm, andererseits musste er ihr recht geben.
    »Ich werde mich aufraffen. Morgen.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«
    Melle war ein schlankes, wirklich hübsches Mädchen, das ihn jedoch mit ausdrucksloser Miene musterte.
    So wie er sie. Es gab ihm einen Stich, dass sie ihn mit den Augen seines Vaters ansah. Die Ähnlichkeit war verblüffend.
    »Ihr behauptet also, mein Vater zu sein, Magister Hagan?«, sagte sie dann.
    »Melle!« Frau Lora, das Weib des Steinmetz, legte ihr mahnend die Hand auf die Schulter. Doch Hagan schüttelte nur den Kopf.
    »Lasst sie, es ist ihr Recht zu zweifeln. Aber, Melle, ich traf deine Mutter Hanna in Konstanz, und sie bat mich darum, mich um dich zu kümmern, sollte ihr etwas zustoßen.«
    »So ist ihr etwas zugestoßen?«, fragte die Tante des Mädchens.
    »Ja, so furchtbar es mir ist, aber Eure Schwester kam zu Tode, Frau Lora.«
    »Es musste ja so kommen«, sagte die Frau, und es klang wenig Trauer in ihren Worten.
    »Sie war eine Hure«, murmelte das Mädchen.
    »Mag sein, Melle, aber sie war deine Mutter, und sie liebte dich.«
    »Und Ihr seid mein Vater und liebt mich nicht. Und sie auch nicht.«
    »Wir waren jung und übermütig, damals vor dreizehn Jahren. Ich habe nicht gewusst, dass unser Tändeln Folgen hatte.«
    »Warum nicht?«
    »Ich musste Darmstadt verlassen.«
    »Weshalb?«
    »Melle!«
    Wieder versuchte ihre Tante, das Mädchen zu zügeln. Doch auch diesmal antwortete Hagan ihr, auch wenn er nicht die ganze Wahrheit offenlegte.
    »Man befahl mir, nach Speyer zu gehen und dort ein Amt zu übernehmen, Melle. Hätte ich gewusst, dass Hanna schwanger ist, hätte ich sie mitgenommen.«
    »Als Eure Buhle.«
    »Vermutlich.«
    »Seid Ihr ein Priester?«
    »Man nennt mich Magister, Melle.«
    Sie legte den Kopf schief, und ihr Lächeln wurde höhnisch.
    »Meine Mutter hatte es mit den Priestern, Magister. Aber zumindest der Pfarrer Daniel war ein netter Mann. Er hat mich das Lesen und Schreiben gelehrt. Könnt Ihr lesen und schreiben?«
    »Wäre ich sonst Magister?«
    »Kann sich jeder nennen. Was wollt Ihr von mir? Soll ich für Euch auch als Hure arbeiten?«
    »Melle!!!«
    »Deine Mutter hat in Köln Geld für dich hinterlegt, damit du eine ordent­liche Mitgift hast. Ich werde dafür sorgen, dass du es erhältst, Melle. Und meinen Teil dazu beisteuern.«
    »Hurenlohn!«
    Frau Lora zuckte zusammen, doch dann wandte sie trocken ein: »Kind, bedenke, dass wir dir keine Mitgift geben können.«
    Melle hatte den Anstand, den Kopf zu senken.
    »Ich weiß, vier Töchter habt Ihr zu

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