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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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verheiraten.«
    Auch Hagan hatte Melles scharfer Ton getroffen, es lag eine Welt der Verachtung darin. Aber die Tante schien auch nicht eben die verständnisvollste Frau zu sein. Er hatte den Eindruck, dass sie das Mädchen gerne losgeworden wäre.
    »Ich werde mich um deine Zukunft kümmern, Melle. Ein paar Tage bleibe ich in Limburg. Aber dann muss ich weiterreisen. Auch ich habe Angelegenheiten zu regeln.«
    »In Köln?«
    »Natürlich, weshalb ich mich dort auch um den Nachlass deiner Mutter kümmern werde.«
    »Ich komme mit.«
    »Melle!«
    »Doch, Tante. Wer weiß, was dieser Magister sonst mit meinem Vermögen anstellt.«
    »Ich reise mit einer Gruppe Vaganten, Melle, ich glaube nicht, dass du dich ihnen anschließen solltest.«
    »Ah pah, Magister. Fürchtet Ihr um meinen Ruf und meine Ehrbarkeit? Ich bin ein Bastard, ein Hurenkind, und wie’s scheint auch die Tochter eines Herumtreibers.«
    »Melle!!!«
    »Wollt Ihr Euch wieder drücken? Um die Aufgabe, die meine Mutter Euch angedient hat?«
    Melle stob aus der Stube des schmalbrüstigen Hauses, in dem der Steinmetz und seine vielköpfige Familie ihre Wohnung hatten. Ihre Tante sah ihr mit hängenden Schultern nach.
    »Sie ist ein schwieriges Mädchen«, seufzte sie. »Ich hab mein Bestes versucht, aber Hanna hat nicht wohl an ihr gehandelt. Anfangs ging es ja noch, als sie beide hier lebten. Meine Schwester war fleißig und arbeitsam und hat uns geholfen, aber dann hat sie sich mit Pfarrer Daniel zusammengetan – ich habe es nicht gutgeheißen. Aber wer hätte sie schon noch genommen, mit dem Bastard am Hals. Ein red­licher Handwerker nicht. Da war wohl ein Priester das Beste, was sie kriegen konnte.«
    Hagan war es schon die ganze Zeit beklommen zu Mute gewesen, die nüchternen Worte der Frau führten ihm vor Augen, dass auch er auf seine Weise Schuld an Hannas Schicksal und an ihrem Tod trug.
    Seine Tochter hatte ihn mit den Augen seines Vaters angesehen.
    Sein Vater hatte sich um ihn gekümmert.
    Aber was sollte er mit diesem Kind tun? Kind? Junges Mädchen, bald zur Frau gereift. Ihre Tante würde sich um ihre Zukunft nicht sonderlich kümmern, und über kurz oder lang würde Melle den Weg ihrer Mutter einschlagen. Nun gut, vielleicht würde er eine Möglichkeit finden, das Kind in einem Konvent unterzubringen. Die eine oder andere Beziehung hatte er noch.
    Aber er selbst musste sich um seine eigene Zukunft kümmern, und darin lag auch eine ganze Reihe Unabwäg­barkeiten. Einschließlich die seines gewaltsamen Todes.
    »Gut, Frau Lora, ich verlasse Euch für heute. Gebt Melle Zeit nachzudenken. Ich werde es ebenfalls tun und spreche morgen wieder vor.
    »Ja, Herr Magister.«
    Die Steinmetzfrau stand nicht auf, als er ging. Sie sah müde und erschöpft aus.
    Piet hatte auf dem Markt wieder Vorstellungen geben lassen. Seine Truppe unterhielt das Publikum mit allerlei Späßen und Gaukeleien, das Äffchen sammelte Münzen ein, stahl aber auch hier und da eine Kappe und warf sie in die Luft, Inocenta gab sich geheimnisvoll und las den Leuten aus der Hand, Klingsohr fiedelte, und Bertrand, der Löffelschnitzer, rezitierte gruselige Balladen dazu. Piet verblüffte die Zuschauer mit seinen Messertricks, doch als Hagan sich durch die Menge drängte, bemerkte er ihn und kam auf ihn zu.
    »Du siehst aus, als wäre ein Ackergaul über dich getrampelt.«
    »Zertreten?«
    »Betreten.«
    »Wird Zeit, dass du es ausspuckst, mein Freund. Du wirst mit jedem Schritt, den wir Richtung Köln nehmen, schweigsamer und düsterer.«
    »Kann sein.«
    »Du hast dein Kind gesehen.«
    »Ja, und sie verachtet mich.«
    »Wundert es dich?«
    »Sollte es nicht. Ja, verdammt, Piet, ich habe mir keine Gedanken darum gemacht, was sie von mir halten könnte.«
    Piet nahm ihn am Arm und lenkte ihn vom Marktplatz fort. Bei einem Pastetenbäcker aber hielt er an und kaufte dem Mann zwei gefüllte Teigfladen ab.
    »Ich habe lange genug gewartet, Hagan. Ich hoffte, du würdest dich mir irgendwann anvertrauen. Aber wahrscheinlich hast du kein Vertrauen.«
    Hagan nahm die Pastete und biss hinein. Sie war lasch gewürzt, aber den Hunger würde sie stillen. Er schluckte den Bissen hinunter und fasste einen Entschluss. Ja, es war an der Zeit, seinen Freunden, die ihn selbstlos aufgenommen und seine Flucht aus Konstanz gedeckt hatten, etwas mehr von den Zusammenhängen zu berichten.
    »Gehen wir ein Stück zur Lahn hinunter, Piet. Hier stellen noch zu viele Leute ihre Lauscher

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