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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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darüber hinaus auch noch. Über dem stand dann nur noch der Papst.
    Und der war der Stellvertreter Gottes auf Erden.
    Warum es derer drei gab, konnte Pfarrer Daniel ihr auch nicht richtig erklären. Mit der heiligen Dreifaltigkeit jedenfalls hatte das nichts zu tun.
    Oft hatte er auch von den sieben Todsünden gesprochen und dem immerwährenden Kampf gegen das Böse. Weshalb die hohen Kirchenmänner sich zu Konzilen trafen, um Ordnung zu schaffen.
    Nun, das mochten sie tun oder bleiben lassen, dass ihre Mutter mit den Kirchenleuten etwas zu tun hatte, gefiel Melle jedenfalls nicht.
    Matti hatte das Knäuel gefangen und zerrte mit den Zähnen Fäden heraus. Sie überließ es ihm und machte sich seufzend wieder am Webstuhl zu schaffen. Noch eine Spanne Stoff musste sie weben, dann durfte sie auf den Markt gehen.
    Dort hatte sich nämlich eine Gruppe Gaukler eingefunden, und die wollte sie unbedingt sehen.
    Die Lahn war kühl und erfrischend, die Erlen, die sie säumten, warfen Schatten über das Wasser, und Hagan kam plantschend und prustend zum Ufer geschwommen. Nackt, wie er war, stand er auf und watete die Böschung hinauf. Er schüttelte sich, und aus seinem Bart und den kurzen Haaren flogen die Tröpfchen.
    »Ganz ansehnlich bist du geworden, Magister, jetzt, wo der Wabbelbauch weg ist. An deinem Leib kann ein Weib schon seine Augen weiden.«
    Inocenta saß auf seinen Kleidern und grinste ihn an.
    »Weide nicht zu viel, sonst bleibt für andere nichts übrig.«
    Scham war Hagan fremd. Seit vier Monaten lebte er mit den Vaganten zusammen, schlief mit ihnen oft in engen Schlafstuben oder unter freiem Himmel. Allerdings hatte Inocenta seit einigen Tagen einen ausgesprochen begehr­lichen Ausdruck auf ihrem knubbelnasigen Gesicht, der ihm nicht recht behagte.
    »Welche anderen, Magister? Die schönen Jungen mit den langen geraden Gliedern?«
    Er wand sich ein wenig, denn wenn auch die Zwergin unbekümmert mit ihrer Missgestalt umging, so war es doch etwas anderes, sie deswegen abweisen zu müssen.
    »Ich warte noch auf die Vollkommene, Inocenta, und für sie will ich meine Unversehrtheit aufbewahren.«
    »Ach, und du glaubst an die weib­liche Vollkommenheit, Narr?«
    »Da ich mich selbst der Vollkommenheit nähere …«
    Sie lachte spöttisch auf.
    »Gottes Ebenbild, ja, ja, dafür haltet ihr Mannsbilder euch gerne.«
    »Ganz richtig, und um dich nicht weiter mit meiner Glorie blenden zu müssen, würde ich mich jetzt gerne bedecken. Du sitzt auf meinen Kleidern, Inocenta.«
    »Tatsächlich?«
    »Lupf deinen Hintern von meiner Bruche, Weib!«
    »Damit du den deinen hineinlupfen kannst? Ach nein, mir wär’s lieber, du bliebst noch eine Weile bloß und bar und lupftest diesen Stängel da in mich hinein.«
    Hagan schielte zu besagtem Stängel hinunter, der leider sein Eigenleben entwickelt hatte. Es war lange her …
    »Mir wäre es lieber, meine Gottähnlichkeit züchtig zu bedecken und keine Göttersöhne zu zeugen.«
    »Zwergengötter.«
    »Entlasst mich aus der Pflicht, Euer Holdseligkeit.«
    Sie sah ihn mit schief gelegtem Kopf an.
    »Ekelt es dich?«
    »Nein, aber als Freundin bist du mir lieber.«
    »Honigmaul.«
    Sie stand auf und warf ihm die Bruche zu. Er beeilte sich, seinen Hintern hineinzulupfen. Und auch Hemd und Wams anzulegen.
    »Schön«, sagte Inocenta. »Dann also Freundin. Und einer Freundin wirst du jetzt wohl endlich anvertrauen, warum wir hier seit drei Tagen vor der Stadt lagern und du noch keinen Schritt hineingetan hast.«
    Erleichtert, dass sie es so gelassen aufgenommen hatte, setzte sich Hagan neben sie ins Gras. Sie hatte natürlich recht: Er war zögerlich. Er wusste selbst nicht, warum. Natürlich hatte er Limburg als ein Ziel seiner Reise nach Köln eingeplant, um seine Tochter aufzusuchen. Er wusste auch, dass sie bei ihrer Tante lebte, die mit einem Steinmetzmeister verheiratet war. Es würde nicht schwer sein, sie zu finden.
    »Magister, hast du Schiss vor deiner Tochter?«
    Er sah die Zwergin an.
    »Sieht fast so aus, was?«
    »Männer, auch wenn sie Ebenbilder Gottes sind, dürfen dann und wann Schiss haben. Vor allem vor Frauen. Erzähl mir von Mutter und Tochter, Magister. Du frisst zu viel in dich hinein.«
    »Tu ich wohl.« Er rieb sich die feuchten, kaum zolllangen Locken und kämmte sie dann mit den Fingern durch.
    »Wie alt ist sie?«
    »Fast dreizehn.« Er starrte durch den flimmernden Schatten der Bäume zum anderen Ufer und dachte an die Zeit zurück, als er Hanna

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