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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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auch auf jeden Haderlump rein.«
    Wieder entzog Laure den Stoff Elsekens Händen.
    »Das ist heilig!«, heulte diese auf.
    Laure wollte den Lappen ins Feuer unter dem Kessel werfen, aber Elseken schlug zu.
    Laure taumelte zurück. Der Stoff entglitt ihr. Elseken ergriff das Schüreisen und holte aus.
    Martine warf sich auf sie, fing den Schlag mit der Schulter ab und hieb Elseken die Faust ins Gesicht. Die ging zu Boden.
    »Schluss jetzt!«, fauchte Laure und zog Martine zur Seite. »Geh! Danke!«, sagte sie leise und wand sich wieder Elseken zu.
    »Du hast mein Geld gestohlen, um dir von einem Scharlatan eine falsche Reliquie andrehen zu lassen. Dass er ein Betrüger war, wird dir sicher jeder bestätigen. Deine Dummheit ist maßlos, und wenn du nicht willst, dass ich ein Bild von dir zeichne, auf dem diese Dummheit aus deinen Augen guckt, und es in der Schankstube für alle sichtbar aufhänge, dann hältst du jetzt besser dein übles Schandmaul über diesen Vorfall.«
    Und damit verließ sie die Küche.
    Den Fetzen auf dem Boden beachtete sie nicht mehr.
    Ihre Drohung mochte für einen anderen als Elseken nichtig sein, für sie, das wusste Laure jedoch, waren ihre Zeichnungen etwas, das einem bösen Zauber gleichkam. Sie hatte anfangs Goswin und ihr die Abbildungen von den Gästen gezeigt, die sie allabendlich anfertigte, und ihnen erklärt, was ihr zu den Gesichtern aufgefallen war. Aber schon sehr bald hatte sie bemerkt, dass beide keinerlei Verständnis dafür hatten, und ihre eigene Beobachtungsgabe nichts mit der ihren gemein hatte. Dass sie einen Geizkragen an seinem verkniffenen Mund erkennen konnte, eine Hure an ihren wissenden Augen, einen Taschendieb an seinem verstohlenen Blick und einen Lügner an seiner aufgesetzten Unschuldsmiene, das kam vor allem der abergläubischen Elseken verdächtig vor. Sie hatte dem Pfarrer davon berichtet, und der hatte ihr einen langen Vortrag über Wahrsagerei und die Folgen für Frauen gehalten, die in den Verdacht gerieten, Zaubersche zu sein.
    Laure hatte nie wieder jemandem ihre Zeichnungen gezeigt, nur ihre Kinder und Hemma kannten sie. Aber sie hatte schon einmal zu dieser Waffe gegriffen, als Elseken versucht hatte, sie mit übler Nachrede aus dem Wirtshaus zu drängen. Sie hatte ein Bild von ihr angefertigt, das ihre ganze Hinterhältigkeit offenbarte, und es ihr an den Bettpfosten geheftet.
    Wochenlang danach war sie ihr misstrauisch, aber zahm begegnet, doch die Wirkung hatte leider nachgelassen. Es war wohl an der Zeit, sie aufzufrischen.
    Noch immer missgelaunt brachte Laure die Münzen, die Meister Joos ihr gegeben hatte, in ihre Kammer. Den Streit mit Goswin würde sie später ausfechten. Zunächst einmal wollte sie sich um Martine kümmern, die einen üblen Schlag mit dem Schürhaken abbekommen hatte. Sie fand die Magd in der Gesindestube, wo sie ein Laken flickte. Es kostete sie einige Überredung, ihr den bösen blauen Fleck mit ihrer Salbe aus Arnika und Minze bestreichen zu dürfen. Und noch mehr Überredung kostete es sie, Martine zu überreden, für diesen Tag die Arbeit ruhen zu lassen.
    »Geh ein wenig in den Obstgarten, und setz dich in die Sonne. Es gibt dort schöne warme Fleckchen.«
    Martine legte die Handflächen zusammen – eine stumme Geste des Dankes. Dann glitt sie mit leisen Schritten hinaus.
    Sie war wirklich fleißig, diese neue Magd. Warum musste Elseken sie nur immer schlecht machen?
    Laure erinnerte sich daran, dass sie versuchen wollte, mehr über Martines Vergangenheit in Erfahrung zu bringen. Aber sie hatte noch immer nicht Zeit und Geduld dafür aufbringen können. Heute hatte sie Angst gezeigt, große Angst, dass man sie einer unrechten Tat beschuldigen könnte. Hatte man ihr einst ein Verbrechen unterstellt, das sie nicht begangen hatte? Ein Verbrechen, das mit dem Verlust der Zunge bestraft wurde?
    Diese Strafe ereilte jene, die einen Verrat begangen hatten. Über etwas gesprochen hatten, worüber sie zu schweigen gelobt hatten.
    Laure erwog, Martine im Obstgarten Gesellschaft zu leisten. Sie schien inzwischen Vertrauen zu ihr gefasst zu haben. Und mit einigen gezielten Fragen würde sie sicher die Wahrheit von ihr erfahren.
    Doch ein schlimmeres Ereignis lenkte sie dann davon ab.
    Jan und Paitze kamen, völlig außer Atem, in den Hof gerannt.
    »Was ist passiert?«, fragte Laure, als sie die beiden abfing. Ihre Tochter warf sich schluchzend in ihre Arme, und Jan war blass und stammelte:
    »Der Bär, Mama. Der alte Brummbär

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