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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Wehmut überkam ihn, als er sich der trutzigen Burg näherte. Einige frühe Jahre seiner Jugend hatte er hier verbracht, in den Gärten der Burg mit seinen jungen Gefährten getollt, allerlei Streiche gespielt, gelernt, auf einem Pferd zu sitzen – und herunterzufallen.
    Er schüttelte die Erinnerungen ab, als er auf das Tor zuritt.
    Man ließ ihn ein, als er seinen Namen nannte und die Herrin der Burg zu sprechen wünschte. Er wurde auch gleich darauf von seiner Tante, Bela von Horne, auf das Liebevollste empfangen.
    »Junge, du bist ein Mann geworden. Heilige Jungfrau Maria, wie lange haben wir uns schon nicht mehr gesehen?«
    »Lange, Frau Bela. Ich war ein Junge noch, als meine Mutter starb.«
    »Ja, an ihrem Sterbebett sahen wir uns das letzte Mal. Und nun hast du auch noch deinen Vater verloren.«
    »Ja, Frau Bela. Aber – ein Kind hinzugewonnen.«
    »So, so.«
    Hagan grinste verlegen. Seine Tante war nicht besonders prüde. Sie hatte selbst drei Söhne großgezogen.
    »Komm rein, Hagan. Wir wollen sehen, was der Wein­keller Angemessenes zu deinem Besuch zu bieten hat.«
    Es gab viel zu erzählen, und trotz der Zuneigung, die Hagan zu seiner Tante empfand, berichtete er auch ihr nur einen angepassten Teil der Geschichte. Sie war eine fromme, gottesfürchtige Frau – die dunklen Machenschaften der Kirchenfürsten ersparte er ihr wie auch die finsteren Seiten von Mord und Verrat. Aber sein Leben bei den Vaganten, die er in Speyer gerettet hatte, ergötzte sie aufs Äußerste. Sie hatte einen Sinn für das Lächer­liche, und Melles Schicksal dauerte sie.
    »Du willst mir nicht anvertrauen, welche Angelegen­heiten du zu regeln hast, Hagan, aber du wirst deine Gründe haben, darüber zu schweigen. Wenn ich dir bei dem Mädchen helfen kann, dann will ich es wohl tun.«
    »Ich danke Euch, Frau Bela. Sie ist noch sehr rebellisch mir gegenüber, aber der Wirtin geht sie fleißig zur Hand und ist sich für keine Arbeit zu schade. Sie hilft in der Küche und im Garten und kümmert sich um diese kranke Ein­siedlerin, die Frau Laure aufgenommen hat.«
    »Eine Einsiedlerin?«
    »Ja, eine alte Frau, die dort im Wald in einer Klause mit wilden Tieren hauste. Man hat sie überfallen, just zu der Zeit, als wir dort eintrafen. Hemma, die Friedensstifterin. Trügt mich meine Erinnerung, oder hat sie nicht einst auch eine Weile hier auf der Burg gelebt?«
    »Hemma – natürlich. Sie kam aus dem Adelheidis-Stift zu uns, deine Mutter hat sie zu mir geschickt. Du warst noch ein kleiner Junge, Hagan. Gerade fünf Jahre alt. Dass du dich daran erinnerst.«
    »Nicht sehr genau, Frau Bella. Es kam mir auch nicht gleich in den Sinn, als ich von ihr hörte. Sie blieb auch nicht lange hier, nicht wahr?«
    »Nein, kaum drei Jahre. Sie war unglücklich damals und brauchte Zeit, sich zu fassen. Doch ich habe schon damals ihre innere Kraft bewundert. Sie hat ihre Entscheidung hier getroffen, und wir halfen ihr, oben am Wald ihre erste Klause zu bauen.«
    »Was hat sie dazu bewogen?«
    »Sie hat viel und lange gebetet, und dann hat sie ein Ruf ereilt, dem sie sich nicht entziehen konnte. So hat sie es uns mitgeteilt. Aber ich vermute noch immer, dass im Stift etwas vorgefallen ist, das sie erschüttert hatte. Und ich glaube auch, dass ihre Schwester Brigitte dahintersteckte. Die beiden verstanden sich nicht besonders gut. Brigitte war immer eifersüchtig auf ihre sanftere, liebevollere Schwester gewesen. Sie hat sie, so die Gerüchte munkelten, mit übler Nachrede aus dem Stift vertrieben. Aber das sind alte Geschichten. Mich dauert es nur, dass Hemma nun schon wieder Anfeindungen ausgesetzt ist. Ist sie schwer verletzt?«
    »Ein gebrochenes Bein, Wundfieber. Aber sie wird gut gepflegt. Ich habe sie selbst noch nicht aufgesucht, werde es aber tun, wenn es ihr besser geht. Ich weiß nicht, ob sie sich überhaupt noch an mich erinnert.«
    »Wird sie, wenn du ihr meine Grüße ausrichtest. Und wenn sie möchte, kann sie auch gerne wieder herkommen. Ich habe ihre ruhige Art sehr gemocht.«
    »Dann werde ich es ihr ausrichten. Und nun sagt, Frau Bela, wie geht es Euren Söhnen?«
    Das gutmütige, runde Gesicht seiner Tante verdüsterte sich.
    »Gert ist tot.«
    »Mein Gott. Wie das?«
    »Auf See. Er war mit Stephan zusammen auf Handelsfahrt übers mittelländische Meer. Es war eine stürmische Überfahrt, und Gert stürzte über Bord. Seither ist Stephan so verändert, Hagan. Es ist, als ob die schwarze Galle sein Gemüt überschwemmt. Ich

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