Die Gefährtin des Vaganten
zuweisen, einer Dame, die in einer Sänfte reiste, eine abgeschiedene Kammer richten lassen, die Kinder anweisen, einen Korb Äpfel zum Trocknen vorzubereiten und einen störrischen Esel aus dem Gemüsegarten vertreiben. Erst dann konnte sie sich auf die Suche nach dem Anführer der Vaganten machen.
Sie fand ihn noch immer in der Schankstube sitzend, mit einer misstrauischen Elseken neben sich, die mit Habichtsaugen über ihre kostbare Reliquie wachte. Hagan und Inocenta standen ebenfalls bei ihnen am Tisch.
»Aber das ist heiliger Duft«, beharrte Elseken eben. »Das steht schon in der Bibel. Das hat auch der Pfarrer gesagt.«
»Ja, in der Bibel steht, dass man den Leichnam mit Myrrhe und Aloe gesalbt hat. Aber es steht nicht darin, dass der Duft sich Hunderte von Jahren hält. Es gibt einen Haufen Scharlatane, die alte Leinenlumpen mit Weihrauch beräuchern und als falsche Reliquien verkaufen.«
»Das ist echt. Das ist vom Grabtuch Christi. Wenn Ihr Euch was anderes habt andrehen lassen, ist das Eure Schuld.«
»Ja, vermutlich. Habt Dank, Elseken, dass Ihr uns dieses kostbare Stück Stoff gezeigt habt.«
»Und, Elseken, die Dame, die eben eingetroffen ist, wünscht ein leichtes Mahl. Könntest du ihr eine Suppe zubereiten?«
Laure erhielt wieder einen säuerlichen Blick von Elseken. Die raffte aber ihren heiligen Fetzen an sich und verließ hurtig die Schankstube.
»Sie glaubt fest daran.«
»Ja, und sicher viele andere auch. Die Wanderprediger verkünden allerorten, dass dieses Grabtuch aufgetaucht sei. Es muss größer als das Segel eines Niederländers sein«, murrte Hagan.
»Weit größer. Und weit teurer.«
»Und dennoch ist es kein Segeltuch, behauptet Janna. Und sie kennt sich mit Stoffen aus.«
»Alt ist es aber.« Laure nahm es auch zur Hand.
»Ja, alt ist es. Es wäre gut zu wissen, woher es wirklich stammt. Es ist eine ungewöhnliche Webart, meint Janna. Nicht so wie die üblichen Stoffe. Und es ist mit etwas getränkt.«
»Maler verwenden Leinwand, die sie mit Leim bestreichen«, warf Laure ein. »Es war einmal ein Händler bei uns, der solche Leinwände verkaufte.«
»Ist es auch nicht. Obwohl es so etwas Ähnliches wie Leim ist.«
»Harz«, sagte Hagan.
»Ja, Harz oder so etwas.«
»Am besten suchen wir einen Apotheker oder Drugwarenhändler auf.«
»Guter Vorschlag. Ich nehme das am Montag mit, wenn ich nach Köln gehe«, sagte Hagan, steckte den Stoff ein und erhob sich. Die Zwergin erhob sich ebenfalls.
»Ich braue Euch eine neue Heilsalbe, Frau Laure, Euer Vorrat geht zu Ende. Darf ich mit Euren Kindern Kräuter sammeln gehen?«
»Wenn sie mit den Äpfeln fertig sind.«
»Gut.«
Piet wollte ebenfalls gehen, aber Laure sagte leise: »Auf ein Wort …«
Er drehte sich zu ihr um.
»Auch auf zwei oder mehr, Frau Laure. Wie kann ich Euch helfen?«
»Indem Ihr mir zuhört und mir vielleicht raten könnt. Aber nicht hier.«
»Wollen wir wieder in den Obstgarten?«
»Ins Kelterhaus, Piet. Ich zeige Euch, wie man Beeren presst.«
Er hörte sich geduldig an, was sie über den Ritter Lothar von Hane zu sagen hatte, und mit deutlichem Erstaunen betrachtete er ihre Zeichnungen.
»Ihr seid eine Künstlerin, Frau Laure. Eine begnadete Künstlerin.«
»Ach was. Es sind doch nur Kritzeleien.«
Er lächelte. »Dann eben kunstvolle Kritzeleien. Ich erkenne mich sehr genau wieder, und unseren Magister – ah, hier Melle in ihrem ganzen Trotz, und Martine.« Er blätterte weiter und stieß einen leisen Pfiff aus. »Die zwei Grobiane. Und hier – nun ja, unser Magister ohne Bart. Sehr geschickt.«
Er blätterte um, und Laure zeigte mit dem Finger auf den Ritter.
»Das ist der Herr von Hane.«
Piets Miene wurde undurchdringlich.
»Kennt Ihr ihn?«
»Nein.«
»Aber Ihr habt ihn schon mal gesehen?«
Laure merkte, dass ihre Stimme ängstlich zitterte.
»Ja, Frau Laure. Und ich würde Euch raten, dass Ihr Euch von ihm fernhaltet.«
»Was … was ist mit ihm?«
»Ich weiß es noch nicht genau.«
»Ihr – Ihr und der Magister Hagan, Ihr seid nach irgendwas auf der Jagd?«
Ein leises Schnauben kam von Piet.
»Frau Laure, Ihr seid bei Weitem zu neugierig. Besser, Ihr unterdrückt diese Regung.«
»Das kann ich nicht, Piet. Ihr seid Gast in meinem Haus. Wenn Ihr Gefahr hineinbringt, muss ich es wissen.«
»Wir versuchen im Gegenteil, Gefahr von Euch abzuwenden, Frau Laure. Sie ist nämlich schon in Eurem Heim. Wir wissen nur nicht genau, woher sie dräut.«
»Der
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